Der Geheimnisvolle Eremit
es das ist, womit wir es zu tun haben, dann müssen wir weiter voran, denn es gibt kein Zurück. Und er trat unter lautem Rascheln aus den Büschen und ging auf sie zu, ohne sich zu verbergen.
Sie hörten ihn und fuhren mit gereckten Köpfen herum, Wange an Wange wie Rehe, die eine Gefahr wittern. Sie sahen ihn, und Annet breitete sofort die Arme aus, um Hyacinth in den Schutz zwischen sich und dem Stamm des Baumes zu bringen, das Gesicht bleich und der Blick scharf wie ein Schwert.
Hyacinth aber lachte laut, schob sie zur Seite und trat vor sie.
»Als ob ich noch einen Beweis brauchte«, sagte Cadfael, um sie zu beruhigen. Er blieb in einiger Entfernung stehen, doch er wußte, daß sie nicht fortlaufen würden. »Ich bin kein Gesetzeshüter. Wenn Ihr Euch etwas habt zuschulden kommen lassen, dann habt Ihr nicht mich zu fürchten.«
»Es braucht einen kühneren Mann als mich«, antwortete Hyacinth mit klarer, leiser Stimme, »zu behaupten, daß er sich nichts habe zuschulden kommen lassen.« Trotz des trüben Lichts leuchtete einen Augenblick sein beunruhigendes Lächeln auf. »Aber ich habe keinen Mord begangen, falls Ihr das meint.
Ihr seid doch Bruder Cadfael?«
»Der bin ich.« Er blickte von einem erregten und besorgten Gesicht zum anderen und sah, daß sie ruhiger atmeten und nicht mehr an Flucht oder Angriff dachten. »Ein Glück für Euch, daß sie heute morgen keine Hunde mitgebracht haben. Hugh mag es nicht, einen Mann mit Hunden zu hetzen. Es tut mir leid, mein Junge, wenn Ihr heute abend durch meinen Besuch länger in Eurem Nest da oben warten mußtet als nötig. Ich hoffe, Ihr verbringt eure Nächte etwas bequemer.«
Darauf lächelten beide, immer noch vorsichtig und mit wachsamen und wilden Augen, aber sie schwiegen.
»Aber wo habt Ihr Euch während der Suche der Soldaten versteckt, da sie Euch nicht fanden?«
Annet traf mit der gleichen praktischen Entschlossenheit, die sie auch sonst an den Tag legte, eine Entscheidung. Sie reckte und schüttelte sich, und die glänzende Haube ihres Haares wallte wie eine bleiche Wolke um ihren Kopf. Sie holte tief Luft und lachte.
»Wenn Ihr es schon wissen wollt, er lag unter Vaters Bett, während Will Warden mit uns auf der Bank saß und Bier trank und seine Männer den Hühnerstall durchstöberten und das Heu in der Scheune wendeten. Ihr dachtet wohl«, sagte sie, indem sie näher an Cadfael herankam und Hyacinth bei der Hand mit sich zog, »daß mein Vater nicht wußte, was ich tat. Habt Ihr das wirklich geglaubt? Keine Sorge, er weiß alles und wußte es von Anfang an oder zumindest von dem Augenblick an, als die Menschenjagd begann. Und nun, da Ihr uns gefunden habt, können wir auch gleich wieder ins Haus gehen und sehen, was wir mit vier Köpfen ausbrüten können, damit wir dieses Gewirr entflechten.«
»Sie werden nicht wiederkommen«, sagte Eilmund behaglich, der dem Treffen in seinem Haus vom Thron seines Bettes aus vorsaß; es war eben jenes Bett, unter dem Hyacinth die Suche der Jäger sicher überstanden hatte. »Und selbst wenn sie kommen, werden wir es rechtzeitig erfahren. Man darf nicht zweimal das gleiche Versteck benutzen.«
»Und Ihr hattet nie Sorge, Ihr könntet einen Mörder beherbergen?« fragte Cadfael.
»Aber gewiß nicht! Ich wußte von Anfang an, daß er kein Mörder war. Und auch Ihr sollt es jetzt erfahren. Ich rede hier von eindeutigen Beweisen, Cadfael, nicht von Glauben, wenn auch der Glaube keine Kleinigkeit ist. Ihr wart gestern abend hier, und auf Eurem Rückweg habt Ihr den Toten gefunden, der, als Ihr ihn fandet, nicht länger als eine Stunde tot war.
Stimmt das so?«
»Ich will es gern bestätigen, wenn es Eurer Beweisführung dient.«
»Und Ihr habt mich verlassen, nachdem Annet von ihren allabendlichen Arbeiten zurückgekehrt war. Ihr werdet Euch erinnern, wie ich sagte, daß sie sehr lange gebraucht habe, und das hatte sie tatsächlich; mehr als eine Stunde. Und dies aus gutem Grund, denn sie hat sich mit dem Jungen hier getroffen, und was immer die beiden zu tun hatten, sie hatten es nicht eilig dabei, was Euch sicher nicht sehr verwundern wird. Kurz gesagt waren diese beiden etwa eine Meile von hier im Wald beisammen, bis sie zwei Stunden später zurückkehrte. Der junge Richard fand sie. So kam sie mit Hyacinth zurück, und zehn Minuten nachdem Ihr Euch verabschiedet hattet, brachte sie ihn zu mir herein. Er kann kein Mörder sein, denn er war die ganze Zeit mit ihr oder mit mir oder mit uns beiden
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