Der Geheimnisvolle Eremit
zusammen und schlief die Nacht in diesem Haus. Er kann nicht in der Nähe des Mannes gewesen sein, der getötet wurde, das können wir beschwören.«
»Aber warum habt Ihr dann nicht…« begann Cadfael und unterbrach sich, da er sofort die Sinnlosigkeit seiner Frage erkannte. Er hob eine Hand, um die offensichtliche Antwort zu unterbinden. »Nein, sagt kein Wort! Ich verstehe schon. Mein Verstand ist heute abend etwas langsam. Wenn Ihr Hugh Beringar klargelegt hättet, daß er einen erwiesenermaßen unschuldigen Mann jagt, dann wäre diese Gefahr erst einmal vorbei gewesen. Aber wenn auch ein Bosiet tot ist, kann ein zweiter jeden Tag in der Abtei eintreffen – er könnte sogar in diesem Augenblick schon dort sein. Und ein Mann, der es wissen muß, da er die Zeichen an sich trägt, sagt, der Sohn sei so schlimm wie der Vater. Nein, Ihr konntet Euch nicht erklären.«
Hyacinth saß im Reisig zu Annets Füßen auf dem Boden und legte die Arme um seine angezogenen Knie. Er sagte leidenschaftslos und ohne besondere Betonung, aber mit der gelassenen Endgültigkeit eines fest entschlossenen Menschen:
»Ich gehe nicht zurück.«
»Und das sollst du auch nicht!« sagte Eilmund inbrünstig.
»Versteht Ihr, Cadfael, als ich den Jungen hier aufnahm, ging es überhaupt nicht um Mord. Er war ein entlaufener Leibeigener, den ich schützen wollte, da er schließlich guten Grund hatte, fortzulaufen. Außerdem hatte er mir einen großen Dienst erwiesen. Ich mochte ihn, und ich wollte nicht, daß er zurückgeschickt und bestraft wird. Und als dann das Geschrei um den Mord begann, sah ich keinen Grund, meine Meinung zu ändern, denn ich wußte, daß er nichts damit zu tun hatte. Es ging mir gegen den Strich, daß ich nicht losgehen und es dem Sheriff und dem Abt und allen anderen sagen konnte, aber Ihr werdet verstehen, daß es unmöglich war. Und da wir jetzt den Jungen hier vor uns haben, müssen wir uns fragen, wie wir am besten für seine Sicherheit sorgen.«
9. Kapitel
Wie es schien, gingen alle wie selbstverständlich davon aus, daß Cadfael auf ihrer Seite stand und sich bereitwillig an der Verschwörung beteiligte. Wie konnte es auch anders sein? Es gab eindeutige Beweise dafür, daß der Junge kein Mörder war, und diese Beweise konnten im Vertrauen auf seine Urteilsfähigkeit in Hugh Beringars Hände gelegt werden. Doch konnte dies nicht geschehen, ohne Hyacinth gerade der Gefahr auszusetzen, vor der er geflohen war. Er konnte kaum hoffen, ein zweites Mal zu entkommen. Hugh war wie jeder andere durch das Gesetz gebunden, und selbst seine Neigung, gelegentlich Augen und Ohren zu verschließen, konnte Hyacinth nicht helfen, wenn Bosiet erst erfahren hatte, wo er war und wer ihn beschützte.
»Wir könnten Euch«, meinte Cadfael etwas zweifelnd, »vielleicht aus dem Land und nach Wales bekommen, wo Ihr vor den Verfolgern sicher seid…«
»Nein«, sagte Hyacinth entschlossen, »ich will nicht fortlaufen. Ich will mich verstecken, solange ich muß, aber ich will nicht wegrennen. Das hatte ich vor, als ich in diese Gegegend kam, aber ich habe es mir anders überlegt.«
»Warum?« fragte Cadfael einfach.
»Aus zwei Gründen. Einmal, weil Richard verschwunden ist, und Richard hat meine Haut gerettet, als er mich warnte. Ich stehe in seiner Schuld und will dafür sorgen, daß er wohlbehalten dorthin zurückkommt, wo er hingehört. Und zweitens, weil ich frei und sicher hier in Shrewsbury leben will.
Ich will mir in der Stadt eine Arbeit suchen, meinen Lebensunterhalt verdienen und eine Frau nehmen.« Er strahlte Eilmund mit großen, glänzenden Bernsteinaugen an und lächelte. »Wenn Annet mich haben will.«
»Da solltest du zuerst mich um Erlaubnis fragen«, meinte Eilmund, doch er sagte es so freundlich, daß sofort klar wurde, daß ihm diese Idee weder neu noch unwillkommen war.
»Das will ich tun, wenn der richtige Augenblick gekommen ist, aber was ich heute bin und habe, will ich Euch oder ihr nicht anbieten. Die Sache mag eine Weile ruhen, doch sie soll nicht vergessen werden«, erwiderte der junge Mann strahlend.
»Zuerst aber muß ich Richard finden! Das ist das wichtigste!«
»Was kannst du schon tun?« widersprach Eilmund, der praktisch dachte. »Nichts, was Hugh Beringar und all seine Männer nicht schon getan haben. Und dabei wirst du auch noch selbst gesucht, und die Hunde sind schon auf deiner Fährte!
Wenn du vernünftig bist, hältst du dich ruhig und außer Sichtweite, bis Bosiets Suche nach dir
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