Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
umfasste ihre angewinkelten Beine und legte ihre Wange auf die Knie.
»Ich weiß es nicht. Was Kacey erzählt hat, ist mindestens genauso verwirrend, wie es erhellend ist.« Sie hob den Kopf und sah Mitch an, der die Augen geschlossen hatte.
»Dieser Parri, der muss ja ein richtiger Held gewesen sein. Nicht nur, dass er Cardinia und die anderen entführten Kinder gerettet hat, sondern auch, wie er es angestellt hat.«
Mitch brummte schläfrige Zustimmung.
»Dass er sich getraut hat, sich mit der Regierung anzulegen, sie sogar auf Rückgabe der Kinder zu verklagen, das finde ich mehr als mutig.« Mitch blinzelte in die Sonne.
»Da hast du recht. Er muss ein außergewöhnlicher Mann gewesen sein, sehr gebildet. Du hast ja gehört, dass er sich später im Kampf um Landrechte verdient gemacht hat. Nicht, dass sie damals schon etwas erreicht hätten, aber Parri galt wohl als Mabos Vorreiter. Hast du gesehen, wie Kaceys Augen geleuchtet haben?«
»Auch auf die Gefahr hin, mal wieder als unwissend dazustehen. Wer ist oder war Mabo?«
»Eddie Mabo vom Volk der Meriam hier aus North Queensland. Er hat Anfang der Neunziger Jahre einen spektakulären Sieg vor Gericht errungen. Erstmals in der Kolonialisierungsgeschichte Australiens wurden Aborigines Landrechte eingeräumt.« Mitch hatte sich aufgerichtet und saß nun neben Natascha. »Jedes Kind kennt Eddie. Er ist ein Volksheld.«
»Erst Anfang der Neunziger? Und bis dahin hatten deine Leute keinerlei Anrecht auf ihr Land?«
» Nope, Miss. Zweihundert Jahre lang nicht. Das heißt, ein Anrecht hatten sie natürlich immer, doch die Regierung hat es all die Jahre ignoriert. Die Entscheidung im Mabo-Fall bedeutet aber noch lange nicht, dass alles in Butter ist. Das Thema Landrechte ist jedenfalls ein weites Feld.« Mitch gähnte wieder, dieses Mal war es nicht gespielt. »Wollen wir noch ein bisschen gehen? Sonst schlafe ich nämlich gleich ein.«
Mitch stand auf und zog Natascha hoch.
»Ich hatte ein bisschen Angst vor Kacey. Ist sie immer so barsch, oder lag es nur daran, dass ich eine Weiße bin?« Mitch lachte laut auf.
»Du meinst, ob sie eine Rassistin ist?« Der Gedanke schien Mitch eine ganze Weile lang zu amüsieren.
»Nein«, er schüttelte den Kopf. »So würde ich die gute Kacey nicht gerade bezeichnen. Aber es stimmt schon. Sie hat so ihre Ansichten, wenn das Gespräch auf die Geschichte unseres Volkes kommt und darauf, welche Rolle die Weißen dabei gespielt haben.«
»Wenn es stimmt, was ihr eben erzählt habt, haben die Ungleichheiten zwischen Schwarz und Weiß ja auch noch lange kein Ende gefunden. Ist das denn wirklich so? Aborigines sterben im Durchschnitt zwanzig Jahre früher als der Rest der Bevölkerung?« Mitch sog scharf die Luft ein.
» Yep. Schlechte Ernährung, Drogen, Alkohol, Armut, kein Zugang zum Gesundheitssystem … You name it. Die Gründe sind zahlreich. Kacey kennt das alles nur zu gut. Sie arbeitet schon seit Ewigkeiten als Krankenschwester in entlegenen Aborigine-Communities.«
»Das ist sicherlich ein harter Job.«
»Das kannst du laut sagen. Und oft ganz schön frustrierend«, fügte er hinzu.
»Komm, lass uns fahren«, schlug er dann vor. »Ich will noch vor Einbruch der Dunkelheit auf dem Weg sein.«
Als sie gerade ins Auto einsteigen wollten, kam Kacey auf sie zugeeilt und hob die Hand.
»Wartet einen Augenblick.« Natascha tauschte einen fragenden Blick mit Mitch und ging ihr dann entgegen. Kacey atmete flach und hielt sich die Brust.
»Ist alles okay mit Ihnen?«, fragte Natascha und legte ihr besorgt die Hand auf den Oberarm. Kacey nickte.
»Ich sollte bei meinem Asthma nicht mehr so rennen«, schnaufte sie und schüttelte den Kopf über sich selbst. Dann sah sie Natascha an. »Mir ist da etwas eingefallen. Ich habe Ihnen ja bereits erzählt, dass ich mich nicht an irgendwelche Geschwister von Cardinia erinnern kann. Ich glaube, wenn sie einen Bruder oder eine Schwester gehabt hätte, wüsste ich das oder zumindest hätte ich das von jemandem hier in Moondo mal gerüchteweise gehört. Andererseits kann man nie wissen. Es ist so unglaublich viel passiert, so viele sind spurlos verschwunden – auch später noch.« Sie hatte sich auf die Treppe gesetzt. Mitch hatte von drinnen Wasser besorgt und reichte es ihr. Natascha nahm neben ihr Platz und sah sie gespannt von der Seite an.
»Gibt es denn keine Möglichkeit, das herauszufinden? Ich meine, es muss doch Behörden geben, die mir bei dieser Frage behilflich
Weitere Kostenlose Bücher