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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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sie sich auf diesen Tag gefreut! Erst als sie glaubte, außerhalb seiner Sichtweite zu sein, blieb sie keuchend stehen. Ihre Brust bebte vor Anstrengung, und sie versuchte mit ihrer Hand, den Atem flacher zu halten. Langsam beruhigte sie sich und warf einen Blick zur Kutsche. Sie konnte Gottfried nicht mehr sehen.
    Georg winkte ihr später aus der Ferne zu, als sie im Schulhaus damit beschäftigt war, Säcke mit Heu zu füllen; ein einfaches Nachtlager für diejenigen, die keine Unterkunft bei Freunden gefunden hatten. Helene hatte sich überlegt, zwanzig bis dreißig Säcke unter dem Dach auszubreiten, das tagsüber die Schulkinder vor der Sonne schützte. Es war Hochsommer und mit Temperaturen um die achtunddreißig Grad alles andere als kalt; selbst in der Nacht kühlte es kaum ab. Mehr als ein Laken würde niemand brauchen, dennoch hielt Helene ein paar leichte Wolldecken bereit. Unter einer Decke schlief es sich gleich ein wenig sicherer und geschützter. Sie selbst würde im Büro schlafen, denn ihr Bett in Luises Haus, wo sie nun lebte, wenn sie auf Zionshill war, hatte sie einer alten Magd aus Neu Klemzig angeboten. So ganz selbstlos, wie es sich anhörte, war diese Offerte allerdings nicht. Keineswegs wollte Helene nämlich die lustige und chaotische Nacht unter den Sternen verpassen, mit allen Brüdern und Schwestern, die aus Neu Klemzig angereist waren, um gemeinsam den Beginn der Fastenzeit zu feiern. Helene nieste wie ein schnaubendes Pferd, während sie die Säcke füllte. Das Heu kitzelte in ihrer Nase, und als es gar zu schlimm wurde, schneuzte sie sich kurz, aber heftig in ihr Tuch, nur um dann mit doppelter Geschwindigkeit den Heuballen zu zerteilen, damit sie mit den Säcken endlich zu einem Ende käme. Johannes und seine Familie hatten die Einladung Gottfrieds, in seinem Hause zu übernachten, ausgeschlagen und bestanden darauf, das schlichte Gemeindelager auf dem Schulgrund zu teilen. Helene war selig, als sie davon am Morgen gehört hatte. Das kommunale Lager war ja ihre Idee gewesen, und deshalb fühlte sie sich nun auch persönlich dafür verantwortlich, dass Johannes’ Familie sich als ihre Gäste wohl fühlen würde. Sie band den Sack zu, schüttelte ihn kräftig und schlug mit beiden Händen auf ihn ein, um die Füllung gleichmäßig zu verteilen. Klein Michael würde es hier gut gefallen, freute sie sich. Sie legte sich auf den Sack, verschränkte die Arme unter dem Kopf und blickte in den wolkenlosen Himmel. In ihrem Mundwinkel steckte ein Halm, den sie sich aus dem Haar gezogen hatte und auf dessen Ende sie nun zufrieden herumkaute. Das Leben meint es gut mit dir, Helene Junker, dachte sie, bevor sie ein weiterer Niesanfall vom Lager ihrer Träume scheuchte.

    »Helene, kommen Sie doch zu uns! Wir diskutieren gerade die Frage der Lehrmittel für Ihre Schüler.«
    Helene war gerade auf dem Weg zum Backhaus, um beim Brotbacken zu helfen, doch Johannes’ Stimme ließ sie innehalten. Als sie sich umdrehte, sah sie ihn und Gottfried, wie sie auf der Veranda des Vorsteherhauses beieinanderstanden. Helene atmete tief durch. Sie konnte sich wohl kaum dem Wunsch des Pastors widersetzen, aber dass ihre gottfriedfreie Zeit nicht länger als eine Stunde angehalten hatte, ließ ihre Feiertagslaune deutlich sinken. Andererseits, so sagte sie sich schnell, war es eine willkommene Gelegenheit, um Johannes endlich einmal ihre Sicht der Dinge darzulegen. Bislang hatte sie noch niemand nach ihrer Meinung gefragt, und so war es immer nur Gottfried, der der Gemeinde in Neu Klemzig versicherte, dass »besondere Lehrmittel«, wie er Schulbücher nannte, seines Erachtens überflüssig waren. Er hielt die Kosten für deren Anschaffung für vergeudet. Helene, die Gottfried in Zionshill als Assistentin zugeordnet war, musste mit ihren Worten vorsichtig sein. Ein flüchtiger Blick auf ihren Beschützer machte ihr klar, dass Gottfried ganz ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen. Seine Augen starrten sie aus dem knochigen Gesicht übergroß an. Helene wandte sich schnell Johannes zu.
    »Wir haben ja nichts außer den Schreibtafeln und ein paar alten Heften, die schon ganz zerfleddert sind. Das ist nicht gerade viel«, begann sie und vermied es dabei tunlichst, Gottfried anzusehen.
    »Ist das wahr, Gottfried? Als ich dich in der Versammlung gefragt habe, was du für die Schule brauchst, wolltest du nichts.«
    Gottfried streckte seinen Körper, als ginge er in Angriffsstellung. »Was sollten wir schon brauchen?«

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