Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
Geschwistergemeinde Neu Klemzig. Obwohl das Missionsdorf anders als Neu Klemzig von der Regierung unterstützt wurde und erst im Frühjahr drei Rinder, vier Schweine und fünf Säcke Weizensaatgut zugewiesen bekommen hatte, blieb am Ende nichts übrig, was sie in der Mission für schlechtere Zeiten zur Seite hätten legen können. Die möglichen Gründe, warum sich Zionshill noch nicht selbst unterhalten konnte, waren jedes Mal Anlass hitziger Diskussionen im Klemziger Gemeinderat, doch unbestritten war, dass die Arbeit mit den Einheimischen gewisse Tribute forderte, vor allem an Zeit, die dann anderswo fehlte.
Luises Familie hatte sich vor knapp zwei Monaten entschlossen, von Neu Klemzig auf den Zionshügel zu ziehen. Sie verkauften ihr gemütliches Häuschen an der Hauptstraße für wenig Geld an eine neu angekommene Familie, der sie sogar die meisten Möbel überließen. Luise hatte Helene erzählt, ihre Familie fand es an der Zeit, sich neuen Aufgaben zu stellen. Helene stutzte zunächst, so ganz schlau wurde sie aus dieser Begründung nicht, doch sie erwiderte nichts. Sie spürte, dass Luise nicht vollständig hinter ihren eigenen Worten stand.
Helene vermutete, dass Gernot, Luises Mann, die treibende Kraft hinter der Entscheidung war, das vertraute Terrain zu verlassen, denn Gernot war ein Mann, der alle irdische Zufriedenheit ablehnte. Sobald er merkte, dass der Alltag gewisse Annehmlichkeiten bereithielt, man sich gewissermaßen eingerichtet hatte, war dies für ihn ein Zeichen, die Lebenslage seiner Familie zu verändern.
Helene hatte Luise seufzen hören, als Gernot ihr nach der Sonntagsmesse begeistert seine neueste Idee für Zionshill unterbreitete, doch zu mehr Widerstand ließ sich die dreifache Mutter, deren jüngstes Kind gerade ein Jahr alt geworden war, nicht hinreißen.
»Macht dir das denn gar nichts aus?«, fragte Helene sie noch vorsichtig in der Kirche, als Gernot sich aus ihrem Kreis entfernt hatte, um nun, mit Luises Zustimmung, seine Pläne den Kirchenälteren mitzuteilen. Helene konnte nicht glauben, dass diese intelligente Frau sich klaglos in diese, so erschien es Helene zumindest, zufälligen und unberechenbaren Launen ihres Mannes fügte. Luise zuckte nur mit den Schultern und rang sich ein Lächeln ab.
»Weil wir Freundinnen sind, will ich ganz ehrlich mit dir sein. Natürlich macht es mir etwas aus – nicht wegen mir. Mir ist es gleich, ob ich hier lebe oder dort. Es ist nur … Ich finde es wegen der Kinder so schwer. Alle paar Jahre hat Gernot neue Ideen für uns, und ich kann nichts für die Kinder planen. Manchmal frage ich mich, was aus ihnen werden soll. Sie sind so heimatlos, ohne Wurzeln. Dann wiederum denke ich mir, dass sie bereits alles haben, wovon sie nur träumen können: dieses gesegnete Land, die Gemeinde, den wunderbaren Pastor. Warum also sollte ich mir irgendwelche Sorgen machen? Jehova ist mein Hirt, ich leide nicht Mangel. Auf grünen Angern lagert er mich. Verstehst du, Helene?«
Luise senkte ihren Blick, und Helene sah, dass die Freundin nicht weiter über das Thema reden wollte.
Heute war ein besonderer Tag, und Helene konnte nicht aufhören zu grinsen. Heute feierte Zionshill das Fastenfest, und alle würden kommen. Nicht nur die Neu Klemziger, sondern auch die Geschwistergemeinde aus Adelaide wurde erwartet. Die Luft vibrierte vor Spannung. Helene hatte schon aus einiger Entfernung die dünnen Rauchsäulen gesehen, die von den Holzscheiten stammen mussten, über deren Kohle bald ganze Schweine rösten würden. Sie schämte sich ein bisschen dafür, doch allein der Gedanke, dass sie am Abend krosse Speckschwarte zwischen ihren Zähnen zerkrachen lassen würde, ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die Aussicht auf saftiges Schweinefleisch und geröstete Kartoffeln machte sie schon jetzt schwach.
»Wo willst du hin?«, rief Gottfried ihr nach. Helene war bereits vom Wagen gesprungen, noch bevor der ganz halten konnte, und war ein Stück in Richtung Schulhaus gelaufen, als sie sich nun umdrehte und stehen blieb.
»Verzeihung, ich war in Gedanken. Wir sehen uns später beim Fest«, mit diesen knappen Worten raffte sie schnell ihre Röcke und stob davon. Gottfried sah ihr nach. Sein Blick brannte ihr länger im Rücken, als ihr lieb war, und sie rannte, so schnell sie konnte. Das allgemeine Gewühl und chaotische Treiben dieses Festtags würden ihr hoffentlich die Gelegenheit geben, sich vollständig Gottfrieds Kontrolle zu entziehen. Wie hatte
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