Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
Das wäre ihr nie und nimmer eingefallen. War sie wirklich so unsensibel, dass sie von seinen Gefühlen für sie nie etwas bemerkt hatte? Und auch nicht davon, dass Anna sie wohl nur zu gerne mit dem Schwager verkuppeln wollte? Oh, mein Gott, hilf! Anna und Georg schauten sie erwartungsvoll an, während Helene noch auf eine rettende Eingebung hoffte, die dieses peinliche Missverständnis schleunigst aufklären könnte. Am liebsten eine Erklärung, die alle in ein erleichterndes Lachen ausbrechen ließ. Doch sie schaffte es einfach nicht, die richtigen Worte zu finden.
»Anna, Georg. Ihr seid so lieb, aber ich kann nicht. Ich kann einfach nicht. Verzeiht mir!« Mit diesen hilflosen Worten raffte Helene ihre Röcke und lief zwischen den beiden hindurch ins Freie. Sie blickte nicht zurück, verlangsamte ihren Schritt erst, als sie schon fast bei der Backstube war. Dort würden sie schon seit geraumer Zeit auf ihre Hilfe warten, das Brot buk sich schließlich nicht von allein. Auf dem Weg ins Backhaus hatte Helene eine Entscheidung getroffen: Was sie anbelangte, so hatte diese verstörende Szene im Schulhaus nie stattgefunden.
»Da bist du ja endlich! Ich dachte schon, du würdest uns das Brot des Herrn allein durchwalken lassen.« Luise lachte hell auf. Die anderen Frauen stimmten ein. Eine nahezu unerträgliche Hitze drang aus dem Backhaus in den Vorraum, wo die Frauen in einer Reihe standen und den Sauerteig zum zweiten Mal für heute kneteten. Luise rückte zur Seite und stieß ihre Nachbarin an, damit sie es ihr gleichtat. »Komm schon her, wir haben gerade erst angefangen, du kannst dich also austoben. Und weil du saubere Hände hast, kannst du uns zunächst mal ordentlich Wasser nachschenken. Diese Gluthitze sengt einem ja fast das Haar vom Kopf!« Wieder lachten die Frauen, Luise war offensichtlich trotz der harten Arbeit in allerbester Stimmung. Helene tat wie geheißen und füllte die Becher mit frischem Wasser, die Frauen nickten dankbar. »Die höllischen Temperaturen haben aber auch ihr Gutes, immerhin ist es wohl selbst den Fliegen zu heiß. Verübeln kann ich es ihnen nicht.« Helene lächelte still und nahm ihren Platz in der Mitte der Reihe ein. Die körperliche Anstrengung tat ihr gut, sie lenkte ihre verworrenen Gedanken ab. Der Teig lag in einem Stück auf dem langen Holztisch, und wenn die Frauen mit ihm fertig waren, würde er, zu Laiben geformt, in kleinen Körben aufgehen. Diese würden in dem schon seit Stunden befeuerten Ofen verschwinden, doch das kümmerte die Frauen schon nicht mehr, denn das eigentliche Backen des Brotes war Aufgabe der Männer. Luise hatte heute die Aufsicht im Backhaus und bestimmte somit, wie lange sie hier noch gemeinsam schwitzen mussten. Die Frauen hatten allesamt ihre Hauben und Schürzen abgelegt; Strähnen, die sich aus den hochgebundenen Haaren gelöst hatten, klebten ihnen an den Wangen, und der Stoff unter ihren Achseln war vom Schweiß dunkel. Doch die Laune im Backhaus hätte nicht besser sein können. Eine Alte am rechten Ende des Tisches fing nun zu singen an, und es dauerte nicht lange, bis die anderen in das fröhliche Lied einstimmten. Endlich fiel auch Helene ein, während ihr Handballen den Teig mit einer Inbrunst bearbeitete, als müsste sie ein Zuviel an Energie loswerden. Sie drückte beide Hände kräftig und tief in die weiche Masse. Sie hatte es immer schon geahnt. Eines Tages würde sie mit ihrer Art in Schwierigkeiten geraten, doch dass dieser Tag schon so bald kommen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Doch was sollte sie nun tun? Davonlaufen war ausgeschlossen. Wohin denn auch? Ihre Finger waren nun ganz im Sauerteig vergraben und walkten die zähe Masse kraftvoll durch, bis sie langsam geschmeidig wurde. Der Rhythmus der Hände ließ ihre Gedanken allmählich ruhiger werden. Von der Seite betrachtete sie Luise, ihre beste Freundin, die mit der Nachbarin in eine Art scherzhaften Singwettstreit getreten zu sein schien. Eine schmetterte jetzt lauter als die andere, immer wieder unterbrochen von glucksendem Gelächter, dabei immer den Teig im Takt walkend. Luise begegnete ihrem Blick und verstummte für einen Augenblick. Helene beeilte sich, ein Lächeln aufzusetzen. Hatte Luise etwas in ihren Augen gesehen?
Als sie dabei waren, die Laibe zu formen, kam Elisabeth ins Backhaus. »Wo bleibt ihr denn nur, Mädchen? Maximilian will gleich am großen Baum unten am Wasserloch die Messe halten. Wir warten nur noch auf euch.« Die Frauen trieben
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