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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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ihr scheint noch nicht einmal zu erkennen, dass ihr gesündigt habt. Dabei seid ihr drauf und dran, allesamt in die Hölle einzufahren. Selbstsucht vergisst der Herr nicht. Noch könnt ihr euer Schicksal wenden, wenn ihr Zionshill in dem Bemühen unterstützt, den Willen des Herrn auf Erden zu verwirklichen. Es geht um euer Seelenheil!«
    Nun zog Johannes ihn in einer entschlossenen Bewegung vom Pult, und weil er deutlich der Stärkere war, leistete Gottfried keinen Widerstand.
    »Das ist nun wirklich genug, Bruder. Geh!«, befahl Johannes dem Älteren mit erzürntem Blick. Doch Gottfried ordnete nur in aller Ruhe seinen Rock, lächelte ihn schief von unten an und machte sich daran, von der Kanzel hinabzusteigen. Einmal noch drehte er sich nach Johannes um und flüsterte ihm ins Ohr: »Denk bloß nicht, ich hätte keine Ahnung, was zwischen dir und deinem Bruder vorgefallen ist. Die Hölle ist groß, mein Sohn, sehr groß.« Mit diesen Worten ließ er Johannes stehen und machte sich durch die Seitentür aus dem Staub.
    Johannes hielt es eigentlich für ausgeschlossen, dass Gottfried damals wirklich etwas vom Streit zwischen ihm und seinem Bruder mitbekommen hatte. Gottfried hätte schon draußen unterm Fenster des Chorraums sitzen müssen, um zu hören, wie sich die Brüder geprügelt hatten. Nachdenklich hielt Johannes inne. Gottfried war wie ein Wiesel, das sich ungesehen mal hierhin, mal dorthin bewegte, jederzeit darauf bedacht, nicht aufzufallen. Widerwillig versuchte Johannes, sich jene hässliche Szene zwischen ihm und Georg noch einmal ins Gedächtnis zu rufen.

Neu Klemzig, Februar 1904
    J ohannes hatte sich am Nachmittag, als er ins Dorf zurückgekehrt war, schon bald unter einem Vorwand in die Kirche zurückgezogen. Er brachte es einfach noch nicht über sich, Anna gegenüberzutreten und so zu tun, als wäre nichts gewesen. Denn seit ein paar Stunden war alles anders, seine Welt war nicht mehr dieselbe.
    Johannes war gerade im Begriff, im Chorraum die aus Deutschland eingetroffenen Bibeln in die Regale zu sortieren, als Georg in die Tür trat. Der Bruder bebte am ganzen Leib und atmete schwer. Johannes machte sich Sorgen und ging auf Georg zu, doch der plazierte gleich einen zielsicheren rechten Haken direkt unter Johannes’ Kinn. Johannes schwankte, fing sich jedoch wieder. Er wusste gar nicht, wie ihm geschah, und starrte den Bruder entgeistert an.
    »Du Schwein!«, rief der, und obwohl eine leise Ahnung in ihm aufstieg, war Johannes noch weit davon entfernt, die Situation zu begreifen. »Ich hab euch gesehen. Wie ihr euch geküsst habt. Du und Helene. Ihr habt euch geküsst!«, wiederholte Georg, als würde die Ungeheuerlichkeit seiner Anschuldigung dadurch mehr Glaubwürdigkeit gewinnen.
    »Wovon redest du da?«, fragte Johannes, in der Hoffnung, ein wenig Zeit zu gewinnen. Er kam sich erbärmlich vor. Erst am Abend vor diesem dummen, dummen Kuss hatte er Georg ein Liebesgeständnis abgerungen. Was war nur in ihn gefahren?
    Der Kinnhaken seines Bruders war geradezu eine Erleichterung. Endlich wurde er abgestraft für sein jämmerliches Verhalten! Seit jenem Augenblick in den verbrannten Feldern mit Helene hatte er nicht aufgehört, sich schuldig zu fühlen. Helene gegenüber, Anna gegenüber, aber fast mehr noch Georg gegenüber. Georg liebte Helene, er wollte sie heiraten. Was war er nur für ein Schuft!
    »Es tut mir so leid, Georg. Das hätte nicht passieren dürfen. Aber du musst mir glauben, das war das erste und einzige Mal, und es wird sich nicht wiederholen.« Er hatte die Arme auf die Schultern des Bruders gelegt und sah ihm fest ins Gesicht. In der Situation mit Helene war er schwach geworden, jetzt würde er Stärke zeigen, indem er dem Bruder und dessen berechtigter Wut nicht auswich.
    Georg befreite sich mit einer kräftigen Bewegung. Eigentlich war Johannes der körperlich Stärkere, doch Georgs Zorn schien seine Kräfte wachsen zu lassen. Er atmete heftig, und sein glattes, dunkles Haar hing ihm in wirren Strähnen ums Gesicht. Obwohl seine seegrünen Augen vor Wut blitzten, konnte Johannes die Verletztheit in ihnen erkennen. Georg war außer sich. Unwillkürlich tat Johannes einen Schritt zurück, doch schon kam Georg auf ihn zu und drängte ihn in die Ecke neben dem Regal.
    »Erzähl mir keinen Unsinn! Wie lange geht das schon mit euch? Los, sag schon! Ich habe ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren!« Georgs erhitztes Gesicht war nun ganz nahe.
    »Ich schwöre dir bei Gott, dass

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