Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
schon Luise in einem Brief nach Salkau bemüht, allerdings nur, um Johannes’ Eigenschaften zu loben. Auch Helene selbst hatte den bewunderten Pastor seither im Stillen so genannt. Jetzt fragte sie sich allerdings, was Gottfried von ihr und Johannes wusste. Es konnte einfach nicht sein, dass er irgendetwas gesehen oder gehört hatte, was sie oder Johannes kompromittieren könnte. Dafür waren sie viel zu vorsichtig gewesen. Oder doch nicht?
Helene war aufgesprungen und ging nun unruhig im Zimmer auf und ab. Sie hatte kurz mit sich gerungen, ob sie Johannes vom »Fund« des Notizbuchs berichten sollte, hatte sich dann aber dagegen entschieden. Er hätte darauf bestanden, das Buch in die Hände seines rechtmäßigen Besitzers zurückzugeben. Doch da war Helene dagegen. Gottfried würde zu jedem Mittel greifen, um Johannes zu vernichten, davon war sie überzeugt. Um ihn auszuschalten, musste man entschlossen vorgehen. Das Buch würde ihr dabei eines Tages hoffentlich helfen.
Doch zunächst musste sie einen Weg finden, mit ihren Gefühlen ins Reine zu kommen. Sie hatte den Mann ihrer Freundin geküsst, der auch noch der Pastor der Gemeinde war. Damit nicht genug, lebte sie mit diesem Mann samt seiner Familie unter einem Dach. Das Schlimmste war jedoch, dass sie Johannes liebte.
Luise stieß sie mit dem Ellbogen an. »Helene? Warum bist du heute so schweigsam?«
Helene lächelte mühsam.
»Bedrückt dich etwas? Ich habe schon seit längerem den Eindruck, dass du etwas mit dir rumschleppst. Willst du es mir nicht sagen?« Luise hatte ihr die Hand aufs Knie gelegt und schenkte ihr einen aufmunternden Blick.
Helenes Herz schlug plötzlich schneller. Dies war nicht das erste Mal, dass Luise sie zum Reden bringen wollte. Eigentlich hätte Helene nichts lieber getan, als sich ihren Liebeskummer von der Seele zu reden, aber es war schlicht unmöglich. Helene war sich sicher, dass die Freundin ihr Wissen für sich behalten würde, doch fortan würde es für Luise so sein, als ob sie mit einer Lüge leben müsste. Helene war dies deshalb so klar, weil sie es seit dem Kuss selbst so empfand: Nichts, was sie seither in der Gemeinde sagte oder tat, fühlte sich noch echt an. Es war ein schreckliches Gefühl, das sie Luise nicht aufbürden wollte.
»Hat es was mit Georg zu tun?«
Helene fuhr erschrocken zusammen. Das hatte sie nicht erwartet.
»Wie, was meinst du damit?«
»Komm schon, mir kannst du es doch sagen.« Luise stupste Helene freundschaftlich an: »Das sieht doch selbst ein Blinder, wie verschossen der arme Kerl ist.«
Helene lief blutrot an. Luise hob ihr Kinn an und sah ihr verständnisvoll in die Augen. Sofort senkte Helene schuldbewusst den Blick. Was sollte sie darauf nur sagen? Sie ahnte ja seit dem Fastenfest, dass Georg in sie verliebt war. Aus dem Augenwinkel warf sie einen Blick auf Luise. Anna musste ihr von der Geschichte im Schulhaus erzählt haben. Von ihr selbst kannte Luise sie jedenfalls nicht. Wer außer den beiden wusste sonst noch davon? Womöglich ganz Neu Klemzig und Zionshill noch dazu! Wahrscheinlich wurden schon Wetten abgeschlossen, wann die Hochzeitsglocken läuteten. Helenes Atem ging flach, sie fühlte sich in die Ecke gedrängt.
»Georg soll in mich verliebt sein? Das hat er mir nie gesagt.«
Luise schneuzte sich geräuschvoll die Nase, dann lachte sie auf.
»Du weißt doch, wie schrecklich schüchtern er ist. Georg läuft doch schon rot an, wenn sich die Pferde necken. Magst du ihn denn nicht?«
»Natürlich mag ich ihn. Wie kann man Georg nicht mögen? Er ist der freundlichste Mensch, den ich kenne.« Helene beschlich plötzlich ein Verdacht. »Hat Anna dich etwa gebeten, mit mir über Georg zu reden?« Täuschte sie sich oder lief Luise nun rot an? Die schüttelte entrüstet den Kopf.
»Nicht doch, nein! Wir haben uns nur mal darüber unterhalten, dass ihr zwei ein hübsches Paar abgeben würdet, aber das war auch schon alles.«
»Dann ist’s ja gut. Als Kupplerin taugst du nämlich rein gar nicht.« Helene grinste jetzt und fühlte sich nach diesem Scherz ein wenig leichter. Vielleicht, so hoffte sie, wäre das Thema damit ein für alle Mal beendet.
»Ich will überhaupt niemanden verkuppeln«, sagte Luise beleidigt. »Ich will nur wissen, ob meine Freundin verliebt ist, weil Freundinnen über solche Dinge für gewöhnlich miteinander reden. Aber wenn du nicht willst …« Helene holte tief Luft, und beinahe gegen ihren Willen brachen die nächsten Worte aus ihr
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