Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
viel nachgedacht und ihre weiteren Schritte überlegt. Erst war sie unsicher gewesen, was sie tun sollte, doch dann hatte ihr Elisabeth die Entscheidung leichtgemacht. Johannes’ Mutter hatte sie in ihrer Schreibstube aufgesucht und darauf bestanden, dass Helene die Tür abschloss.
»Eine Unterredung unter vier Augen«, sagte sie und setzte sich in die Ecke, die man durchs Fenster nicht einsehen konnte.
Helene lief es eiskalt den Rücken runter.
»Nur weil ich nie etwas zu dir gesagt habe, heißt das nicht, ich wüsste nicht, was hier gespielt wird. Ich bin nicht dumm, Helene.« Helene war von ihrem Stuhl aufgesprungen und wollte etwas zu ihrer Verteidigung sagen, doch Elisabeth fuhr sie scharf an: »Unterbrich mich nicht, wenn ich mit dir rede! Du hast Georg ins Verderben gestürzt, wir haben ihn für die Gemeinde verloren.« Sie hob energisch die Hand, um Helene das Wort zu verbieten. »Und jetzt auch noch Johannes. Versuche nicht, es abzustreiten. Luise, Gottfried und ich – wir haben Augen im Kopf. Leugne es also nicht!« Elisabeths kalter Blick wanderte ihren Körper entlang, und unwillkürlich strich sich Helene mit der Hand schützend über den Bauch. Alles Blut war ihr aus dem Gesicht gewichen, und ein starker Schwindel zwang sie wieder auf ihren Stuhl zurück. Elisabeth war aufgestanden und machte einen Schritt auf sie zu.
»Geh, Helene! Wenn du auch nur ein Fünkchen Anstand im Leibe hast, geh! Bevor noch ein Unglück passiert.« Sie schenkte Helene einen letzten eisigen Blick und wandte sich dann zur Tür. Sie hatte schon die Hand auf der Klinke, als sie innehielt. »Und kein Wort davon zu irgendwem, oder ich sorge dafür, dass es dir sehr leidtun wird. So wahr mir Gott helfe.« Langsam drehte Elisabeth den Schlüssel um und drückte die Klinke nieder. Sie schaute vorsichtig in beide Richtungen und war dann genauso schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht war.
Es dauerte eine Weile, ehe Helene begriff, was gerade geschehen war. Ihr Gefühl war also richtig gewesen. Vom ersten Tag an hatte sie gespürt, dass Elisabeth ihr nicht sonderlich gewogen war. Doch woher kam nur dieser Hass? Das konnte nur Gottfrieds Werk sein, oder?
Helene wollte es nicht glauben, dass sich auch Luise gegen sie verbündet haben sollte, oder war sie da zu gutgläubig? Immerhin hatte ihr die Freundin ebenfalls nahegelegt, die Gemeinde zu verlassen. Ein Zufall? Daran glaubte Helene nicht.
Sie wusste kaum, was sie überhaupt noch denken sollte, doch sie zwang sich zur Ruhe. Was konnten die drei von ihr und Johannes wissen? Louise wusste vom Kuss, doch das andere? Johannes und sie waren übereingekommen, so nahe wie möglich bei der Wahrheit zu bleiben, was ihre Nacht auf freiem Feld anbelangte. So etwas kam immer wieder mal vor, dass das Wetter Kapriolen schlug und die Menschen zwang, ihre Pläne zu ändern. Was genau in jener Nacht geschehen war, behielten sie natürlich für sich. Im Grunde konnte sie es Luise nicht verübeln, wenn die sich ihren Teil dachte. Also gut, Luise wusste wohl Bescheid, aber hatte sie ihren Verdacht auch herumerzählt? Was war mit Elisabeth, die ihren Körper so eindringlich gemustert hatte, wo doch eigentlich noch nichts zu sehen war? Luise war eine Verräterin. Es musste so sein, wie sonst kam es, dass Elisabeth überhaupt von Johannes und ihr wissen konnte? Von Georg bestimmt nicht. Er war lieber gegangen, als zum Verräter zu werden.
Helene legte ihre Hand auf den wachsenden Bauch. Die Zeit spielte so oder so gegen sie. Ein Kind wuchs in ihrem Leibe heran, und es ging keinen etwas an, wer der Vater war. Nicht einmal den Vater selbst.
Sie hatte die Kollekte für Zionshill, die sie nach Gottfrieds Kirchenrede seinerzeit einrichten musste und die sich trotz der Tatsache, dass Gottfried in der Gemeinde nicht sonderlich gelitten war, erstaunlich gut füllte, vollständig geplündert. Für die braven Bürger tat es ihr leid, nicht aber für Gottfried. Natürlich war der Diebstahl Sünde, aber blieb ihr eine Wahl?
Das Geld aus der Kollekte würde wohl reichen, um sich in den nächsten Wochen alleine durchzuschlagen, doch für mehr auch nicht. Wie sich ihre Lage darstellte, wenn sie erst einmal das Kind hätte, das würde sie dann sehen.
Das Kind sollte und musste ihr Geheimnis bleiben, also musste sie stark sein, wenn Johannes gleich, wie besprochen, zu ihr in die Gemeindeküche käme. Sie hatte es ihm gestern schon gesagt, dass sie gehen würde. Doch er hatte darauf bestanden, sie noch einmal
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