Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
fanden, der Empfindungen in Helene auslöste, für die sie auf der Stelle bereit war zu sterben. Sie fühlte sich vollkommen eins mit Johannes, fühlte sich zum ersten Mal im Leben ganz. Ganz Seele, Körper und Geist. Während sie ihn in sich spürte, küsste er ihre Brust, streichelte sie, ließ seine Hand dann unendlich langsam hinabgleiten, und als er sie ganz sacht dort streichelte, wo er in sie eingedrungen war, wuchs ihre Leidenschaft, pochte nach Erlösung, bis sie plötzlich glaubte zu explodieren. Ihr Schrei war lautlos, und Johannes hielt sie eng in seinen Armen, als ihr ganzer Körper lautlos bebte. Erschöpft lösten sie sich voneinander, und Helene schmiegte sich in seinen Arm. Johannes deckte sie beide zu, und sie blickten eine Weile wortlos in den sternenlosen Himmel.
»Ich liebe dich«, sagte Johannes.
»Ich weiß«, erwiderte sie nur.
»Gott allein weiß, wie verzweifelt ich mich seit dem Kuss damals zwingen wollte, nicht mehr an dich zu denken. Nicht so jedenfalls. Aber das ist mir wohl gründlich misslungen.« Er drehte ihr das Gesicht zu und lächelte sie fast ein wenig verlegen an. Seine Augen glänzten im fahlen Schein des Mondes. Sie nickte, küsste ihn. Widerstrebend löste er sich von ihren Lippen.
»Dann weißt du auch, dass wir damit aufhören müssen. Keine Küsse mehr und auch keine Umarmungen.«
»Ja. Nur diese eine Nacht heute. Die gehört uns ganz allein, für immer.« Sie hatte sich auf die Seite gelegt, sah ihn an. Eine Träne schimmerte in ihrem Augenwinkel.
»Ich werde unsere Nacht nie vergessen, Helene. Ich werde dich nie vergessen. Niemals.« Er hielt sie so fest, als wollte er sie nie wieder loslassen, dann liebten sie sich, kürzer, heftiger als beim ersten Mal, und schliefen erst ein, als der Morgen bereits zu dämmern begann.
Helene träumte einen seltsamen Traum von einem Garten, in dem blaue Schmetterlinge tanzten. Dazu spielte eine Musik. Kam sie von einer Geige oder einer Gitarre? Helene hätte es nicht sagen können. Nur, dass die Melodie nicht recht zu dem Garten zu passen schien. Die Schmetterlinge hatten majestätische Flügel, deren Blau in der Sonne metallisch glänzte. Sie umtanzten einen Baum mit silbrig heller, blättriger Borke, dessen üppige Krone in rosafarbener Blütenpracht stand. Weder die Schmetterlinge noch den Baum hatte Helene je zuvor gesehen, und auch die Musik kannte sie nicht, aber es war ein schöner, ein friedlicher Traum. Als sie erwachte, erinnerte sie sich noch an die blauen Falter und das staubige Rosa zwischen den sattgrünen Blättern und musste unwillkürlich lächeln. Die Melodie hatte sie vergessen.
Rosehill, April 1911
S ie gab Nellie nicht auf, würde sie nie aufgeben. Nellie lebte, da war sie ganz sicher. Die Hoffnung, dachte Helene, war das Letzte, was man ihr nehmen konnte, und solange sie atmete und auf dieser Erde wandelte, würde sie die nicht verlieren. Katharina, Matthias und die Kinder. Sie waren trotz allen Hoffens und Bangens nicht heimgekehrt. Aber das hieß noch lange nicht, dass auch Nellie nicht zurückkommen würde.
Helene hatte das Haus geputzt und die Tiere versorgt. Erschöpft ließ sie sich jetzt auf ihre Gartenbank sinken und schaute den Schmetterlingen bei ihrem Tanz um die Blüten zu. Sie trank einen Schluck lauwarmen Tee aus dem alten Emaillebecher und lehnte sich mit dem Hinterkopf an die Mauer. Sie schloss die Augen. Wenn es doch nur wahr wäre! Blind tasteten ihre Finger in der Schürze nach dem Telegramm, das sie vor zwei Tagen von Parri erhalten hatte.
Glaube zu wissen, wo die Kinder sind. Bin unterwegs dorthin. Halte durch! Parri
Als Parri ihr in Brisbane sagte, er würde die Kinder aufspüren, hatte er es genau so gemeint. Seither reiste er in Queensland umher, von einer Missionsstation zur nächsten, von einem Stamm zum anderen. Ruhelos durchstreifte er den riesigen Staat auf der Suche nach Nellie, Cardinia und den beiden Orta-Mädchen. Und jetzt hatte er sie gefunden, würde sie heimbringen! Helene fing an zu zittern und stellte den Becher auf der Bank ab. Wenn sie doch nur mehr wüsste. Was genau bedeutete es, wenn Parri schrieb, er glaube zu wissen? Wusste er es nun oder wusste er es nicht? Dazwischen gab es doch eigentlich nichts.
Helene öffnete die Augen und schlug sich mit den Händen auf die Oberschenkel. Sie wurde noch verrückt. Wann konnte sie mit einer weiteren Nachricht rechnen? Wie lange brauchte Parri, um dorthin zu reisen, wo er die Mädchen vermutete? Helene hatte keine
Weitere Kostenlose Bücher