Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
sicherlich schon längst erraten. Marias Vater war kein Schwarzer, wie Sie lange Zeit vermutet haben, und auch nicht Gottfried Schmitter. Es war Pastor Johannes Peters aus Neu Klemzig. Wie Sie wissen, war dieser Pastor verheiratet, als er Helene Junker kennengelernt hat. Gemeinsam mit seiner Frau Anna hatte er fünf Kinder. Er starb als alter Mann, vier Jahre nach dem Tod seines Bruders.
Sie sehen, ich habe eigenmächtig ein wenig Familienforschung betrieben. Sie sind darüber doch nicht böse?
Dabei habe ich auch herausgefunden, dass Georg, der Bruder von Johannes, erst im stolzen Alter von fünfundvierzig Jahren eine gewisse Martha geehelicht hat, ebenfalls eine Lutheranerin. 1921 wird ihre Tochter geboren. Können Sie mir noch folgen?
Diese Tochter heiratet später und bringt 1943 wiederum eine Tochter zur Welt. Dieses Kind heißt Debra. Richtig, das bin ich!
Lange Rede kurzer Sinn: Ich schätze, Sie und ich sind miteinander verwandt. Schockiere ich Sie? Ich bin Ihre Großcousine, worüber ich mich über die Maßen freue! Ich hoffe, Sie sehen das ähnlich.
Keine Rose ohne Dornen: Der alte Matthew gehört nun ebenfalls zu Ihrer Familie, er ist Ihr Großcousin. Freuen Sie sich?
Ach ja, Sie fragen sich bestimmt, was aus dem unheimlichen Gottfried geworden ist. Er wurde nicht sehr alt. Meines Wissens ist er nach langem Siechtum an einer merkwürdigen Krankheit verstorben. Die Symptome, wie sie im Kirchenbuch einmal kurz erwähnt werden, sprechen für mich eine recht deutliche Sprache: Ich denke, es war die Syphilis. Weiß nur der Teufel, wie er sich die zugezogen hat. Sicher ist nur, dass er den Erreger nicht über die Luft eingeatmet haben dürfte.
Liebste Natascha, ich hoffe, mein Brief hat Sie nicht zu sehr verstört. Lassen Sie den Inhalt ein wenig auf sich wirken. Ich erwarte keine Antwort, stehe Ihnen aber für Fragen jederzeit zur Verfügung. Ich würde mich freuen, wenn ich Sie bald in Adelaide wiedersehen darf. Sie werden sich die Einladung der Regierung doch nicht entgehen lassen, oder?
Mit den allerherzlichsten Grüßen,
Debra
Natascha ließ die Hände in den Schoß sinken und sah Alan an, dessen Augen im gedämpften Licht des Restaurants warm glänzten. Sie schwiegen, solange der Kellner die Pizzen servierte und mehr Wein brachte.
»Debra schreibt, dass sie weiß, wer mein Urgroßvater war, und dass ich mit ihr verwandt sein soll.« Alan nickte und legte seine Hand auf ihren Arm.
»Hast du davon gewusst?«
»Nur das mit dir und Debra. Sie konnte ihre Freude über den unverhofften Familienzuwachs wohl nicht länger für sich behalten. Was immer eine Großcousine auch ist.« Ein Lächeln glitt über sein Gesicht. Natascha seufzte.
»Der Pastor also«, sagte sie, und es klang enttäuscht und traurig. »Ihn hat Helene all die Jahre schützen wollen.« Alan strich ihr sanft über den Arm. Natascha fuhr sich mit den Fingerspitzen übers Augenlid und drehte sich schnell weg, als Alan sich nach vorne beugte, um ihr über die Wange zu streicheln.
»Sie hat bewusst in Kauf genommen, ihr einziges Kind niemals wiederzusehen, nur um den Ruf eines zweifelhaften Pastors zu schützen. Dabei war er verheiratet und hatte Kinder.« Nataschas Stimme vibrierte leicht.
»Dann hat sie ja nicht nur ihn allein geschützt, sondern auch seine Familie. Und sich selbst auch.« Alan musste die steile Falte bemerkt haben, die sich zwischen ihren Augen gebildet hatte, denn er fügte hinzu: »Ein Kind von einem verheirateten Pastor zu haben bedeutete damals doch bestimmt den gesellschaftlichen Tod für eine Frau.«
Natascha atmete laut aus und fuhr sich über die Stirn. »Ich weiß, ich weiß«, winkte sie ab. »Pastor Edwards hat mich ja bereits gewarnt. Ich solle nicht auf Helene wütend werden, sie hätte ihre Entscheidungen getroffen, wie sie glaubte, sie treffen zu müssen. Trotzdem bin ich wütend. Allerdings eher auf den Pastor als auf sie natürlich.«
»Wieso natürlich?«
Natascha reagierte genervt auf seine Rückfrage, verdrehte die Augen, als müsste sie einem Trottel das Alphabet buchstabieren. »Ich bitte dich, Alan! Das naive Mädchen in der Fremde und der überlegene, angesehene Pastor. Diese Kombination schreit doch geradezu nach Verführung. Die Unschuld vom Lande und der lüsterne Pfaffe. Klassischer geht’s doch nicht.«
Alan lachte auf. »Machst du es dir da nicht ein bisschen zu leicht? Nur weil deine Schlussfolgerung naheliegend ist, muss sie noch lange nicht richtig sein.«
»Ach nein?«, sagte
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