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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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den Anwalt bezahlt hatte, blieb Helene ein Rätsel.
    Sie hatte sich nur widerwillig zur Rückreise nach Rosehill überreden lassen, doch Parri hatte ihr klargemacht, dass sie in Brisbane nichts mehr ausrichten konnte und für ihre Tochter mehr erreichen würde, wenn sie mit Hilfe der Orta die Missionen im Norden unter die Lupe nähme. Amarina und Parri wollten sich bei verschiedenen Stämmen der Aborigines erkundigen, ob sie etwas von den Kindesentführungen gehört hatten und ihnen vielleicht Hinweise geben konnten.
    Helene streckte die Füße aus und lehnte den Kopf gegen die Rückbank. Möwen kreisten über dem Schiff und kreischten gegen den Wind. Sie brauchte Kraft, wenn sie Nellie finden wollte.
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Wo war ihr Kind? Wer kümmerte sich jetzt um ihre Tochter? Wer gab ihr zu essen, wenn sie hungrig war, wer tröstete sie, wenn sie weinte, weil ihr die Mutter fehlte? Nellie verstand doch gar nicht, weshalb Helene nicht bei ihr war.
    Helene holte tief Luft, sie musste ruhiger werden. Wenn Parri recht hatte, war die Kleine in der Obhut von Missionaren. Die würden ihr Kind doch sicherlich gut behandeln … Eine Erinnerung beschlich sie, an all die abfälligen Bemerkungen, die sie von frommen Missionaren über Eingeborene gehört hatte, damals, als sie selbst in einer Missionsstation lebte und arbeitete. Der Gedanke, dass Nellie geschlagen werden könnte oder man ihr nicht genug zu essen gab, machte sie krank vor Sorge. Es war schon schlimm genug, wenn sich Helene ausmalte, was am helllichten Tag mit ihrer Tochter geschehen konnte. An die Nächte durfte sie überhaupt nicht denken. Nellie würde ohne ihre Mama fürchterliche Ängste ausstehen. Bisher hatte es keinen Abend gegeben, an dem sie ihr Kind nicht selbst zu Bett gebracht hatte. Meist dachte sie sich eine Geschichte aus, die sie Nellie, am Bettrand sitzend, erzählte, manchmal sangen sie gemeinsam ein Schlaflied. Selbst wenn jemand auf der Missionsstation sich ähnlich liebevoll um Nellie kümmerte, es wäre doch nicht dasselbe.
    Aber was, wenn man Nellie gar nicht gut behandelte? Wenn man ihr im Gegenteil Gewalt antat? Helene hielt es nicht länger auf der Bank. Sie wischte sich mit zitternder Hand die Tränen aus dem Gesicht und ging unruhig auf dem Deck auf und ab. Bitte, lieber Gott! Mach, dass es Nellie gutgeht. Ich verspreche auch, dass ich sie nie wieder allein lassen werde. Sag ihr, dass ich bald komme, um sie zu holen. Sei tapfer, kleine Nellie, bitte sei tapfer!
    Helene setzte sich wieder auf die Bank und stützte die Stirn auf ihre Handballen. Sie war zutiefst verzweifelt. In Brisbane war ihr bewusst geworden, wie ohnmächtig sie der Entführung gegenüberstand. Sie hatte keinerlei rechtliche Handhabe und würde auf die Hilfe ihr vertrauter Menschen angewiesen sein.
    Parri, auf ihn setzte sie dabei am meisten. Wie er sie angesehen hatte … Dieses Funkeln in seinen Augen, als er versprach, er werde die Kinder finden. Er hatte ihre Trauer und Verlorenheit geteilt, das spürte Helene, und sie vertraute ihm vollkommen.
    Amarina … Helenes Finger berührten unwillkürlich das Amulett und umschlossen es. Die Gedanken schweiften zu der Freundin. Es war schwer gewesen, sich gerade jetzt von ihr zu trennen, doch es war notwendig. In Amarinas Gegenwart hatte sie sich nicht ganz so verloren gefühlt wie jetzt, da sie mit ihrem Schmerz und all der Ungewissheit alleine war. Wie es der Freundin wohl erging? Ihre Tochter Cardinia bedeutete der Freundin alles, das wusste Helene aus vielen Gesprächen, aber eigentlich brauchte es gar keine Worte, um zu erkennen, wie sehr Amarina das aufgeweckte Kind liebte und bewunderte. Helene fiel jener heiße Sommernachmittag ein: Die beiden Mädchen hatten zusammen im Fluss geplanscht, um sich Abkühlung zu verschaffen, während Amarina und sie im Schatten an der Uferböschung gesessen und das Spiel der Kinder verfolgt hatten. Dieses warme Leuchten in Amarinas dunklen Augen, wenn ihr fürsorglicher Blick auf der Tochter ruhte. Damals war Helene zum ersten Mal bewusst geworden, dass Amarina zuallererst liebende Mutter war, alles andere spielte eine untergeordnete Rolle. Amarina war so stolz auf Cardinia, Helenes beste Schülerin in ihrer Altersgruppe. Die Kleine war unglaublich sprachbegabt. Wie Parri sprach sie akzentfrei Englisch und bewegte sich nahezu mühelos zwischen zwei Welten, wobei Amarina allerdings sehr darauf achtete, dass sie das väterliche Erbe pflegte und die Stammeskultur

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