Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
Faust darum. Vielleicht konnte es ja zu ihrem Glücksbringer werden.
»Doch, doch, ich glaub dir schon. Ich überlege nur, wie ich dir bei deiner Suche am besten weiterhelfen kann.« Er sah sie an. »Tut mir echt leid, dass ich mich so dämlich verhalten habe. Dabei scheinst du einer spannenden Familiengeschichte auf der Spur zu sein.«
Natascha befühlte wieder das Amulett. Es fühlte sich kühl an.
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich kann es selbst kaum glauben, dass ich Aborigine-Vorfahren haben soll. Ich meine, schau mich doch nur an.«
»Hab ich bereits ausführlich getan.« Er grinste wieder, dann nahm er sich zusammen. »Tja, in der Tat schwer zu glauben. Aber ich finde es in jedem Fall klasse, dass du deinen Wurzeln nachspüren willst.« Er lächelte sie an.
»Ja, mal sehen, was dabei herauskommt. Schlimmstenfalls hatte ich einen interessanten Urlaub in Australien.«
»Und bestenfalls bist du bald mit einem ganzen Dorf australischer Ureinwohner verwandt.« Mitch schlug mit dem Handballen gegen das Lenkrad und wieherte vor Lachen. Dann bemerkte er ihren Blick und verstummte.
»Sorry, war natürlich nur ein blöder Scherz.«
»Ziemlich blöd. Wie weit ist es denn jetzt noch?« Natascha wurde von dem Herumgekurve langsam übel. Mitch lenkte den Toyota in eine Haltebucht und brachte den Wagen knirschend zum Stehen.
»Steig aus.«
»Wieso?«
Statt zu antworten, öffnete Mitch die Fahrertür und kletterte aus dem Bus. Er machte ihr ein Zeichen, ihm zu folgen. Zögernd gehorchte sie. Mitch stellte sich mit dem Gesicht zum Tal.
»Siehst du die Bergkette dahinten?« Natascha nickte. Sein ausgestreckter Arm beschrieb einen weiten Bogen. »Alles, was du dort hinten am Horizont sehen kannst, bis hier runter zum Fluss ist das Land der Orta. So gesehen sind wir eigentlich schon längst da.« Natascha verstand nicht so recht, was er ihr damit sagen wollte.
»Aber leben die Orta nicht in Moondo, diesem Dorf in den Misty Mountains?«
»Ja, seit mehr als hundert Jahren schon, aber es war nicht immer so. Moondo ist eine Art Reservat, das die Weißen meinen Leuten zugewiesen haben, um ihnen das Land stehlen zu können.«
»Tut mir leid, das wusste ich nicht.«
»Eine Tragödie. Das Land ist meinen Leuten heilig, es bedeutet ihnen alles. Es ihnen wegzunehmen ist so, als hätte man ihnen die Seele geraubt.«
Brisbane, 25. März 1911
D er Schweiß lief Helene die Schläfen hinunter. Sie suchte in ihrer Tasche nach ihrem Stofftuch, konnte es aber nicht finden und wischte sich das Gesicht am Ärmel ab. Es war ihr gleich, ob sich das für eine Dame ziemte oder nicht. Außer der Reisetasche hatte sie kein Gepäck bei sich, um das sie sich hätte kümmern müssen, und so ging sie gleich an Deck, um Amarina und Parri zum Abschied zuzuwinken. Sie hatte es in letzter Minute zum Hafen geschafft, konnte gerade noch ein Ticket ergattern, und dann war sie zum Pier gerannt, bis ihre Lunge schmerzte. Helene griff dankbar zu, als ein Steward auf einem Tablett Wasser und Eistee herumreichte. Parri hatte versprochen, Katharina ein Telegramm zu schicken, das erklärte, weshalb Helene es nicht mehr rechtzeitig auf die Yongala geschafft hatte. Hoffentlich sorgte sich Katharina nicht zu sehr, und hoffentlich dachte sie nicht, Helene hätte absichtlich, wegen ihres dummen Streits, das Schiff verpasst.
Die Cooma legte ab, und Helene winkte so lange, bis sie die Menschen am Pier nicht mehr voneinander unterscheiden konnte. Dann ließ sie sich kraftlos auf eine Bank sinken und schloss die Augen.
Die letzten Tage waren die reinste Hölle gewesen. Amarina und sie waren auf dem Protektorat verhaftet worden, weil sie sich geweigert hatten, ihren Protest einzustellen. Jeden Morgen waren sie dort bereits vor Amtsbeginn aufgetaucht und erst gegangen, wenn die Gemeindediener die hohe Tür des Sandsteingebäudes am Abend wieder abgeschlossen hatten. Kein Mensch auf der Behörde hatte sich bereit gezeigt, mit ihnen zu reden. Da waren sie auf die Idee gekommen, die Namen ihrer Kinder auf dicke Pappen zu schreiben, die sie in die Luft hielten. Jetzt fielen sie auf und wurden von Passanten angesprochen, was es denn mit den Schildern auf sich hätte.
Am nächsten Morgen wartete bereits die Polizei am Eingang und führte sie ab, ihr lauter Protest nutzte ihnen nichts. Wäre Parri nicht gewesen, wären sie vielleicht noch immer hinter Gittern. Er hatte einen Anwalt eingeschaltet, der nach drei Tagen ihre Freilassung erwirkte. Wovon Parri
Weitere Kostenlose Bücher