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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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bekreuzigte sich, und sie sah, wie eine Träne seine Wange hinunterlief.
    »John. Wo ist denn meine Schwester? Und wo sind die Kinder?«
    »Dann haben Sie es noch gar nicht gehört?«
    »Sie meinen doch nicht etwa diesen Unsinn, den die Zeitungen verbreiten? Dass die Yongala im Zyklon untergegangen sein soll?«
    John rieb sich das Kinn und sog scharf die Luft ein, dann sah er sie mit ernstem Blick an.
    »Helene, noch weiß niemand etwas Genaues. Doch die Yongala ist nie in Townsville angekommen, und kein anderes Schiff hat sie seit dem Sturm gesehen.«

Moondo, 21. Januar 2010
    D as schneckenartige Gebilde am Ortseingang stellte sich als Kulturzentrum Moondos heraus. Auf dem Parkplatz des Orta Aboriginal Cultural Park, wie es offiziell hieß, standen ein Reisebus und ein paar Mietwagen, als Natascha und Mitch am späten Vormittag dort eintrafen. Im Inneren des modernen Gebäudes aus sandfarbenem Beton und Glas wand sich ein schmaler Gang aus glänzendem Tropenholz nach oben zu den Ausstellungsräumen. Mitch empfahl ihr als ersten Anhaltspunkt für ihre Recherchen die allgemeine Fotoausstellung, danach verabschiedete er sich schnell.
    »Bin spät dran, ich treffe dich um zwei im Café.« Noch bevor sie ihm antworten konnte, war er schon verschwunden.
    Natascha löste eine Eintrittskarte. Jemand hatte sich offensichtlich viel Mühe mit der Anordnung der Schwarzweißfotos gegeben. Als Kulturjournalistin erkannte Natascha die professionelle Handschrift hinter der Präsentation im runden Raum. Das Tageslicht fiel in einem optimalen Winkel durch die hohen ovalen Fenster, die wie der Bau selbst organisch wirkten. Natascha trat näher an die Bilder heran und las einige der Unterschriften. Die ältesten Fotos zeigten eine Gruppe von Kriegern. Ihre nackten Körper waren bemalt, die Männer hielten große Schilde und trugen Speere. Natascha ging langsam weiter. Die nächsten Fotos bildeten das Alltagsleben der Orta ab, so wie es der Fotograf vor rund hundert Jahren einfangen wollte. Er zeigte Frauen beim Fischen mit handgeflochtenen Keschern und Männer, die schwindelerregend hohe Bäume erklommen, um an Bienenhonig zu gelangen; Männer beim Hüttenbauen und Frauen mit ihren Kindern beim Kochen.
    Natascha war seltsam zumute. Die auf den Bildern festgehaltene Welt war ihr so fremd, schien ihr so unendlich weit weg vom eigenen Leben, dass sie sich fragte, was in Gottes Namen sie eigentlich hier in Australien suchte. Das ist nicht meine Welt. Ich gehöre hier nicht hin.
    Natürlich, die Fotos waren schon alt und erzählten von einer Zeit, die längst vergangen war. Die Orta lebten sicherlich schon lange nicht mehr so ursprünglich wie auf diesen Bildern. Trotzdem vermochte Natascha keine Verbindung zwischen diesen Menschen und sich selbst herzustellen, und das lag nicht nur am fremden Aussehen der Einheimischen. Sie lebten ganz anders, sie waren ganz anders. Allein die Vorstellung, sie könnte mit diesem Stamm verwandt sein, empfand sie nun als völlig absurd. Mitch hatte vollkommen recht, als er in schallendes Gelächter ausgebrochen war.
    Diese Urkunde, die sie in Reginas Schublade gefunden hatte – das war ein Missverständnis, dessen war sie sich nun fast sicher. Sie hielt sich nur selbst zum Narren. Total verrückt anzunehmen, sie könnte auf irgendeine verquere Art hierhergehören. Wann sah sie endlich ein, dass sie keine Familie mehr hatte? Du bist allein, finde dich damit ab.
    Ihr fiel auf, dass die Orta immer in Gruppen abgebildet waren, nie als Individuen. Wahrscheinlich lag das am Fotografen; er hatte die Aborigines zu bestimmten Szenen angeordnet, so wie es der damaligen Mode in der Fotografie entsprach.
    Natascha war weitergegangen und stand nun vor einer Wand mit Bildern, die viel weniger gestellt wirkten. Alle Fotos zeigten ein einziges Motiv: eine Mutter mit Kind beim gemeinsamen Spiel im Fluss. Einige der Bilder waren sehr unscharf, wohl weil die beiden nicht still hielten. Die langen Belichtungszeiten von damals erforderten viel künstliche Ruhe von den fotografierten Subjekten. Vielleicht sahen Mutter und Kind aber die Kamera gar nicht und wurden heimlich beobachtet? Oder sie scherten sich nicht um die Anweisungen des Fotografen und ließen sich nicht in ihrem Spiel unterbrechen. Die Bildserie wirkte jedenfalls auf eine moderne Art intim und lebhaft. Wasser spritzte zwischen den beiden hoch. Die Mutter lachte und wendete ihren Kopf mit geschlossenen Augen zum Ufer, ungefähr in die Richtung der Kamera. Die

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