Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
Kinderbettchen –, das Zimmer von Ruth und Magdalene, die Wäschekammer. Auf der anderen Seite die gute Stube, davor der Vorratsraum. Ganz am Ende des Flurs, rechts neben der Tür zum Garten eine Kammer – ein Einzelbett, ein Bettchen, eine Puppe. Gottfried nahm die Puppe aus dem Bett und betrachtete sie. Dann legte er sie aufs Kissen. Die Truhe. Ein Schrank, daran ein taubengraues Frauenkleid auf einem Bügel hängend. Gottfried trat in die Kammer, strich leicht über den abgenutzten Baumwollstoff und vergrub dann sein Gesicht im Kleid. Die Augen geschlossen, sog er den Geruch so tief ein, dass Katharina, die ihm gefolgt war, es hören konnte. Es schien ihn nicht zu kümmern, dass er nicht allein war. Helenes Duft.
Katharina war stehen geblieben und hielt den Atem an. Sie war starr vor Angst. Dieser Mann erschien ihr unberechenbar. Was hatte er nur vor?
Gottfried ließ Helenes Kleid los und ging auf Katharina zu, doch noch ehe er bei ihr war, versteinerte sich seine Miene, und er blieb stehen.
»Was machen Sie hier?« Tanners Stimme, daneben ein knurrender Digger.
»Gottfried Schmitter mein Name. Katharina und ich sind alte Bekannte aus Deutschland.« Er drehte ihr den Kopf zu. »Nicht war, Kathrinchen?«
»Nenn mich nicht so. Verschwinde endlich!«
»Katharina …«
»Haben Sie nicht gehört, was Ihre alte Bekannte gerade gesagt hat? Hauen Sie ab, Mann, ehe ich mich vergesse!«
Gottfried scharrte mit den Füßen. Er sollte sein Glück nicht herausfordern. Er hatte gefunden, was er gesucht hatte. Sie würden eines Tages wieder von ihm hören, hier auf Rosehill. Irgendwann, wenn sie schon gar nicht mehr an ihn dachten. Dieser Gedanke erfüllte ihn mit Befriedigung. Er hatte Macht über Helene.
»Hier lang!«, befahl Tanner und schubste ihn zum Hinterausgang, »das ist der kürzeste Weg hinaus.«
Gottfried beachtete Tanner nicht weiter und wandte sich stattdessen an Katharina. Dabei wackelte er mit dem Zeigefinger vor ihrem Gesicht hin und her.
»Na, ich muss schon sagen, Kathrinchen … Dein Freund hier ist gerade zur rechten Zeit aufgetaucht. Kommt er dich öfters besuchen, wenn dein Mann auf dem Feld ist?«
»Es reicht, Mann. Ziehen Sie endlich ab!«
Katharina sah, dass Tanner vor Wut zitterte. Gottfried ignorierte ihn noch immer.
»Oder kommt er wegen Helene? Sie soll ja durchaus ihre Qualitäten haben, wie man hört.« Ehe er sich’s versah, ließ ihn ein dumpfer Schlag die Steintreppe zum Garten hinunterstürzen. Stöhnend rappelte er sich auf und hielt sich die blutende Nase. John Tanner hatte ihm mit der Rechten einen sauberen Haken verpasst. Instinktiv wollte Katharina nach der Verletzung sehen, doch Tanner hielt sie am Arm zurück. Mit dem Kinn wies er Gottfried stumm den Weg. Gottfried hob seinen Hut auf, klopfte den Staub ab und setzte ihn auf. Dann tippte er mit dem Finger zum Abschied an die Krempe.
»Grüß mir die Schwester, mein Kind. Schade, dass ich sie nicht angetroffen habe. Sie hätte sich bestimmt über meinen Besuch gefreut.« Dann ging er ums Haus herum in Richtung Pforte. Tanner folgte ihm, um sicherzugehen, dass er auch wirklich verschwand. Er kehrte in den Garten zurück, um die zitternde Katharina zu beruhigen. Helene stand neben ihr, den Arm um die Schwester gelegt. Als sie Tanner sah, bemühte sie sich um ein Lächeln.
»Danke, John. Ich weiß gar nicht, was wir ohne Sie getan hätten.« John hob abwehrend die Hände.
»Es war mir ein Vergnügen, Sie von diesem ausgesprochen unsympathischen Zeitgenossen zu befreien.«
»Wieso waren Sie nicht wie sonst auf dem Feld?«
Tanner verzog das Gesicht und kratzte sich verlegen am Nacken.
»Ich, äh … ich musste noch ein paar Macheten vom Hof holen. Wir haben heute zwei Arbeiter mehr als gedacht, und bei der Gelegenheit dachte ich, ich schau mal kurz vorbei.«
»Was für ein Glück!«, rief jetzt Katharina, deren Gesicht wieder ein wenig Farbe angenommen hatte. »Ich hatte solche Angst. John, ich danke Ihnen sehr für Ihre Hilfe. Wo hattest du dich denn versteckt?«, fragte sie nun ihre Schwester.
»Hier im Garten, hinter den Büschen. Ich hab alles mit anhören können.« Helene wirkte gefasst, doch in Wirklichkeit hatte sie Mühe, die aufwallende Panik zurückzuhalten. Sie versuchte mit aller Kraft, ihre innere Ruhe wiederzufinden, und besann sich auf den ursprünglichen Plan. Je eher sie ihn in die Tat umsetzte, desto besser. Doch zunächst musste sie ihre Angst irgendwie in den Griff kriegen. Sie atmete tief
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