Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
sie so laut als möglich in der Hoffnung, dass Helene sie hören würde.
»Ganz recht, mein Kind. Gottfried, und ich muss dringend mit dir sprechen. Lass mich also bitte rein!« Er machte sich am Tor zu schaffen, doch Digger schnappte nach seiner Hand.
»Verdammter Köter. Ruf ihn zurück, sage ich!«
Katharina hatte sich halbwegs gefasst und straffte den Rücken.
»Den Teufel werde ich tun. Ich wüsste auch nicht, was wir noch miteinander zu bereden hätten. Du verschwindest besser, bevor Matthias auftaucht und dir eine Ladung Schrot verpasst!«
»Aber, aber, Katharina! Wer wird denn gleich so aufbrausen? Ich will dir doch nur von deiner Schwester erzählen. Die ist nämlich ganz plötzlich aus Neu Klemzig verschwunden. Eure Eltern haben mich gebeten, nach ihr zu suchen. Ich dachte, das könnte dich interessieren.«
Noch ehe Katharina antworten konnte, hörte sie hinter sich, wie die Haustür von innen geöffnet wurde. Sie hielt den Atem an, doch es war nur Cardinia. Gottfried schaute das Mädchen aufmerksam an. Die Tochter von Amarina! Amarina, dieser schwarzen Hure, die ihn damals auf Zionshill der Lächerlichkeit preisgegeben hatte. Die alle Männer aufgeilte, indem sie am helllichten Tag nackt vor ihnen posierte, die beim Jäten in die Hocke gegangen war, so dass sich – für jeden sichtbar – ihre bloßen Schenkel gespreizt hatten, bis er schließlich hart wurde, und die ihn hinterher dafür auslachte.
Amarina war also hier, denn was sonst sollte ihre Tochter auf Rosehill? Gottfried lächelte zufrieden. Die lange und anstrengende Reise hatte sich am Ende doch noch gelohnt. Amarina und Helene. Sie waren hier, beide. Die Dinge liefen besser, als er zu hoffen gewagt hatte.
»Digger, was bellst du nur so? Komm her!«
Katharina reagierte nicht schnell genug, und Digger galoppierte freudig auf Cardinia zu, die auf der Veranda stand und ihn anfeuerte, indem sie sich auf den Schenkel schlug. Das Mädchen achtete gar nicht auf den Besucher, sie war zu sehr ins Spiel mit dem Hund vertieft.
»Na, komm! Guter Hund. Guck mal, was ich für dich habe!« Cardinia hielt ihm einen Knochen vor die Nase, den sie schnell wegzog, als er danach schnappen wollte. Dann lief sie mit dem Knochen in der Hand ums Haus.
»Hol ihn dir doch, hol ihn dir doch!«
»Cardinia!«, rief Katharina verzweifelt, doch es war zu spät. Mit Angst im Blick drehte sie sich zu Gottfried um, der mit seiner Hand übers Tor reichte und den Hebel umlegte. Er trat durchs Tor.
»Sie ist hier, nicht wahr?«
»Verschwinde, oder …« Katharina war einen Schritt zurückgewichen. Gottfried lachte.
»Oder was? Matthias taucht urplötzlich vom Feld auf und jagt mir eine Ladung Schrot in den Hintern? Gib dir keine Mühe, mein Kind.« Katharina stockte der Atem. Gottfried hatte recht. Es gab nichts, womit sie diesen Mann aufhalten konnte, und er wusste es. Ihr Herz begann zu rasen. Gab es denn gar keine Möglichkeit, Helene zu warnen, ohne dass Gottfried es merkte? Wenn sie doch nur klarer denken könnte! Mach schon, Katharina, denk nach! Wenn ihr nicht sofort etwas einfiel, war es vielleicht schon zu spät. Hoffentlich war Helene längst in einem Versteck. Aber wo auf Rosehill wäre sie vor ihm sicher? Sie hatten zwar irgendwann besprochen, wie sie vorgehen würden. Es gab einen Plan, für den Fall, dass er hier auftauchte. Doch das alles schien jetzt eine Ewigkeit her zu sein.
Hilflos sah sie zu, wie Gottfried mit schnellen Schritten an ihr vorbeilief, auf die Treppe zu, und gleich mehrere Stufen auf einmal nahm, um dann hinter der Haustür zu verschwinden, die Cardinia offen gelassen hatte.
Für einen Moment stand Katharina wie zur Salzsäule erstarrt, dann lief sie, so schnell sie konnte, hinter ihm her ins Haus. Keuchend blieb sie neben Gottfried stehen, der sich in der Küche umblickte. Er sah zwei schwarze Mädchen auf dem Boden, einen brodelnden Kessel auf dem Herd, dessen Inhalt im Raum verdampfte. Ein einziger Blick auf den Wasserstrudel im Zuber verriet ihm, dass es nicht länger als einen Augenblick her sein konnte, dass jemand in der schmutzigen Wäsche gerührt hatte.
»Dies ist mein Haus, und ich will, dass du es sofort verlässt!« Katharina hatte für diesen Satz allen Mut zusammengenommen, doch Gottfried tat so, als hätte er sie nicht gehört. Zielstrebig öffnete er eine Tür nach der anderen, die vom engen Flur abging, und steckte seinen Kopf in den jeweiligen Raum. Das Schlafzimmer der Eheleute – darin ein
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