Der geheimnisvolle Gentleman
habe. Wenn es Euch nicht gefällt, tut mir das leid.« Sein Blick verhärtete sich. »Ihr solltet jedoch überlegen, ob Ihr mich wirklich einen Lügner nennen wollt.«
Olivia sackte in sich zusammen. »Verzeiht. Ich weiß, dass Ihr mir nur erzählt habt, wonach ich Euch fragte. Ich weiß, dass Ihr nicht gelogen habt.« Aber irgendjemand tat es. Walt war vielleicht ein bisschen großmäulig und manchmal wohl auch sorglos gewesen, das lag indessen allein daran, dass er von ihren Eltern immerzu verwöhnt worden war. Aber er würde nie im Leben …
Sie stand auf. »Danke, dass Ihr Euch die Zeit genommen
habt, Marcus. Und für Eure Geduld. Ich gehe jetzt, dann könnt Ihr allein auf Seine Lordschaft warten.« Sie wandte sich ab.
»Olivia …«
Sie drehte sich noch einmal zu ihm um. »Ja?«
Marcus schaute sie ernst an, den Ausdruck seiner Augen konnte sie nicht deuten. »Haltet Euch von Wallingford und seinen Leuten fern. Ich bin mir nicht sicher, ob sie vor einer Dame Halt machen.«
Olivia schürzte die Lippen. »Ja, gut … auf Wiedersehen, Marcus.«
Sie machte kehrt und wollte das Studierzimmer verlassen, als sie Dane in der Tür stehen sah, der sie beobachtete. »Oh, guten Morgen, Dane!« Verdammt sei Marcus, ihr die Stimmung zu verderben. Sie lächelte Dane an und war sich sicher, dass er ihr Lächeln erwidern würde.
Was nicht der Fall war. Er nickte nur und ging an ihr vorbei zu dem Sessel, den Marcus eilig für ihn geräumt hatte. »Gut, dass du auf bist, Olivia. Ich muss mit dir reden.«
Er verstellte sich, dieser grässliche Kerl, nur weil Marcus da war. Wenn er weg wäre, würde sie ihren Kuss schon bekommen, und vielleicht noch mehr. Sie lächelte betont ernst und setzte sich hin. »Ja, Dane?«
Zuerst reichte Dane einen der Zettel, die er in der Hand hielt, an Marcus weiter, dann lehnte er sich zurück und betrachtete sie mit ernster Miene. »Wir brechen in ein paar Tagen auf zu meinem, unserem Jagdschloss in Schottland. Wenn wir dort angekommen sind, geben wir einen Ball, um, ja, den Beginn der Jagdsaison zu feiern.«
Olivia blinzelte. »Ich hatte gedacht, wir würden nach Greenleigh fahren. Ich dachte, das sei der Grund dafür, dass wir keine Flitterwochen machen.«
Dane schaute sie finster an. »Natürlich nicht. Meine … geschäftlichen Angelegenheiten erlauben mir zum jetzigen Zeitpunkt keine Flitterwochen. Alle gehen in dieser Jahreszeit nach Schottland. Es ist Moorhuhn-Saison.«
Sie runzelte die Stirn. »Du willst Moorhühner schießen? Warum? Du magst ja noch nicht mal Hühnchen.«
Er mochte tatsächlich kein Hühnchen, obgleich es ihn überraschte, dass sie es bemerkt hatte. »Die Moorhuhnjagd ist ein Sport und dient nicht notwendigerweise der Nahrungsbeschaffung.«
»Aber warum?«, hakte sie nach. »Du könntest Tontauben schießen oder Pferderennen veranstalten oder sonst irgendwas! Was haben dir die armen Vögel getan?«
»Weil …« Einen Augenblick lang rang er nach Worten. »Weil es nun einmal so ist.«
»Wir. Hm. Deine Logik ist nicht gerade überzeugend.« Sie verschränkte die Arme. Dane zwang sich, ihr weiter in die Augen zu sehen.
»Olivia.« Er warf ihr einen warnenden Blick zu. »Zurück zum Thema. Ich möchte, dass du die Vorbereitungen für den Jagdball in vier Tagen übernimmst. Die Kosten spielen selbstverständlich keine Rolle, doch mir ist die anspruchsvolle Verköstigung und Unterhaltung sehr wichtig. Stell dich auf vierzig Gäste ein.«
Sie blinzelte. »Oh. Ja, natürlich. Du weißt schon, dass vier Tage nicht unbedingt viel Zeit sind.«
Er lächelte sie vertrauensvoll an. »Du schaffst das schon. Deine Mutter hat mir versichert, dass du schon viele solcher Veranstaltungen organisiert hast.«
Mutter hatte ihm doch tatsächlich die Katze im Sack verkauft. Olivia hatte in ihrem Leben gerade mal eine Handvoll solcher Veranstaltungen besucht. Sie bekämpfte ihre aufsteigende Panik. Gut, sie hatte keine Ahnung, aber ihre Mutter lebte für solche Sachen. Sie musste nichts weiter tun, als Lady Cheltenham um Hilfe zu bitten.
Sie nickte würdevoll. »Das stimmt.« Sie streckte ihm eine Hand entgegen. »Ist das die Gästeliste? Ich muss so bald wie möglich die Einladungen versenden.«
Dane legte das Blatt verkehrt herum auf seinen Schreibtisch.
»Das ist nicht nötig. Ich habe die Einladungen gestern bereits verschickt.«
Marcus, der bisher die Szene ohne erkennbare Emotion verfolgt hatte, sah überrascht auf und starrte Dane an. Verwundert bemerkte Olivia einen
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