Der geheimnisvolle Gentleman
plusterte sich Lord Cheltenham auf. »Uns war gesagt worden, dass Ihr eine Frau suchtet und dass Ihr ein Mädchen wie Olivia mögen würdet. Außerdem sagte man uns, wo Ihr Euch an jenem Tag aufhalten würdet. Den Rest habt Ihr selbst getan.«
Es stimmte. Er hatte seine Entscheidung innerhalb weniger Stunden, nachdem er Olivia getroffen hatte, gefällt. Und hatte es nicht gereut. »Ihr habt Eure eigene Tochter benutzt«, sagte er verwundert.
Lady Cheltenham schnaubte. »Natürlich haben wir das getan. Genau wie Ihr. Ihr habt sie geheiratet, damit sie Eure Zuchtstute werden sollte, das braucht Ihr gar nicht abzustreiten.«
Das war die unangenehme Wahrheit. Allerdings besaß sie jetzt keine Gültigkeit mehr.
»Auf welche Art wollte dieser Mann Olivia gegen mich verwenden?«
Lord Cheltenham sah seine Frau an. Lady Cheltenham senkte den Blick. »Sie sollte Euch mit ihren Reizen beeinflussen«, sagte sie. »Um ihr Informationen zu geben.«
Dane lachte laut auf. »Was konnte er denn schon mit einer Frau erreichen, die nichts von seinen Plänen wusste?«
Lady Cheltenham schaute zu ihrem Mann, der aus dem Fenster sah.
Dieses Mal war Dane vorbereitet. »Ihr erzählt mir gerade, dass Olivia wissentlich für diesen Mann arbeitet?«
Lord Cheltenham schnaubte. »Sie ist eine gute Tochter. Sie weiß um ihre Pflichten ihrer Familie gegenüber.«
Dane schüttelte den Kopf. Olivia arbeitete nicht für die Schimäre, darauf würde er sein Leben verwetten. Er stand auf.
»Ihr habt keinen blassen Schimmer, wie sie ist, nicht wahr?« Er machte kehrt und wollte aus dem Zimmer gehen, dann drehte er sich noch einmal um. »Meine Zeichnung, wenn ich bitten darf.«
Lady Cheltenham reichte sie ihm ohne ein Wort. Dane betrachtete den jungen Mann mit den milden Gesichtszügen.
»Er hätte Euren Bankrott nicht publik gemacht«, sagte er leichthin. »Er hätte das nicht tun können, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, was er unbedingt vermeiden musste.« Er wedelte mit dem Blatt vor ihren Gesichtern herum. »Dieser Mann hätte Euch einfach getötet.«
Sie sahen entsetzt aus, aber Lady Cheltenham versuchte, Haltung zu bewahren. »Ich hätte den Tod dem Skandal vorgezogen.«
Dane war fassungslos. So selbstgerecht wie sie waren, gaben sie keinen Zentimeter nach. Wie um alles in der Welt hatte die warme, offenherzige Olivia einer so kalten Verbindung entspringen können?
Olivia.
Er musste mit Olivia reden.
»Ich bin hier, um mit dem Gefangenen zu sprechen.«
Ein Angehöriger der königlichen Leibwache, der vor dem Zimmer Dienst tat, schaute sie unsicher an. Augenscheinlich wusste er, wer sie war.
Olivia balancierte das Teetablett in ihren Händen. »Lord Greenleigh wagt nicht, einen Diener zu ihm hineinzuschicken. Wir wissen noch nicht, wer mit dem Verräter möglicherweise unter einer Decke steckt. Ihr werdet die ganze Zeit bei mir bleiben.« Sie hatte in der vergangenen Woche gelernt, dass es besser war, zu informieren anstatt eine Bitte zu äußern.
Sie hatte darüber nachgedacht, eine von Pettys Uniformen anzuziehen, aber seit der vergangenen Nacht wusste jeder im Haus, wie sie aussah, selbst die Dienstboten der Gäste. Sie hatte bemerkt, wie alle sie verstohlen beobachtet hatten, als
sie mit Marcus in Kirkall Hall angekommen war und lächerlicherweise immer noch ihr blaues Ballkleid getragen hatte.
Jetzt sah sie anständiger aus, hatte sich eilig das orangefarbene Kleid angezogen. Der Bewacher beäugte nicht gerade unauffällig ihr tiefes Dekolletee, das konnte in diesem Fall allerdings auch ganz nützlich sein.
Endlich nickte er und entriegelte für sie die Tür. Sie trat ein und sah Sumner mit trauriger Miene am Fenster stehen. Man hatte ihm sicherheitshalber Mantel und Schuhe abgenommen. Hier oben im Norden war die Kälte des nahenden Winters bereits deutlich zu spüren.
Olivia stellte das Tablett ab und trat einen Schritt zurück. »Ihr solltet schnell etwas essen und trinken. Ich muss das Tablett wieder mitnehmen, damit Ihr es nicht als Waffe verwenden könnt.« Den letzten Satz sagte sie wegen des Wärters. Der Mann war im Türrahmen stehen geblieben und blockierte den Fluchtweg, war aber nicht in der Lage, ein Flüstern zu verstehen.
»Warum habt Ihr den Prinzregenten angegriffen?« Olivia gab sich Mühe, nicht zu schreien. »Warum habt Ihr mir das alles angetan?«
»Ich konnte nicht zulassen, dass Ihr damit durchkommt«, flüsterte Sumner zurück. Er hielt die Teetasse in seinen gefesselten Händen. »Ich
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