Der gehetzte Amerikaner
schlafen kann.«
Wie zufällig wollte sie eine
Schublade öffnen, er aber richtete drohend den Revolver auf sie.
»Noch eine Bewegung, und mein Revolver hier wird losgehen!«
Als sie jetzt sprach, war ihre Stimme ruhig, nur
zwischen ihren Augen stand eine tiefe, schmale Falte. »Was wollen
Sie also?«
»Das Mädchen soll herkommen.«
Sie steckte sich gelassen eine Zigarette an und
schüttelte den Kopf. »Da kommen Sie aber zu spät,
Brady. Sie ist bereits in London, an Bord der ›Kontoro‹,
und sie werden in einer Stunde auslaufen.«
»Welches Spiel spielen Sie eigentlich?« fragte er langsam.
Sie zuckte die Achseln. »Oh, kein Spiel. Ich
hatte Ihnen doch gesagt, daß ich sie unbedingt loswerden
mußte; sie wußte zuviel.«
»Und auf diese Weise konnten Sie auch gleich noch ein Geschäft machen, nicht wahr?«
»Natürlich, und es gibt nichts, aber auch gar nichts, was Sie dagegen tun können!«
»Wirklich nicht?« Eiskalt war die Stimme
Bradys und voller Drohung. Er machte einen Schritt vor und hielt ihr
die Pistole wenige Zentimeter vor den Leib. »Falls das Schiff
auslaufen sollte, bevor wir es erreichen, schieße ich Sie mit
einer Kugel nieder, das verspreche ich Ihnen. Sie sind eine
kräftige Frau, und es würde bestimmt hübsch lang dauern,
bis ich Sie hinüberbefördert hätte.«
Für einen Moment verlor sie fast die Beherrschung. »Das würde Ihnen das Genick brechen.«
»Ich habe nichts mehr zu verlieren«, gab er zurück.
Langsam erhob sie sich. »Ich glaube nicht,
daß ich sie noch zurückhalten kann. Ich habe von
Kapitän Skiros schon meinen Anteil ausgezahlt bekommen. Und er
freut sich schon auf ein gutes Geschäft in Port Said.«
»Wieviel haben Sie schon bekommen?«
»Fünfhundert!«
»Am besten, Sie holen es wieder hervor, aber ein
bißchen plötzlich«, knurrte er, »die Zeit rennt
nämlich.«
Sie ging zu einem Gemälde an der Wand, schob es
zur Seite und öffnete einen kleinen Safe. Nach wenigen Minuten
wandte sie sich um und hielt ein ganzes Banknotenbündel von
Fünfhundert-Pfund-Noten mit einem Gummiband gebunden in der Hand.
Er nahm ihr das Geld ab und steckte es sich in seine Jackettasche.
»Jetzt werden wir also einen kleinen Trip machen. Ich habe
draußen meinen Wagen stehen. Sie können chauffieren.«
»Und was geschieht, wenn wir das Schiff erreicht haben?«
Er zuckte die Achseln. »Das wird sich schon ergeben. Kommt Zeit, kommt Rat.«
»Skiros ist eine ziemlich harte Nuß,
Brady«, meinte sie. »Er wird sich bestimmt nicht freundlich
benehmen zu jemand, der versucht, ihm eins auszuwischen.«
»Alles, was ich von Ihnen will, ist, daß
wir an Bord kommen«, herrschte er sie an. »Den Rest
erledige ich.«
Als sie die Treppen hinunterstiegen, lag das Haus in
völliger Ruhe. Mrs. Soames ergriff einen Mantel aus der Garderobe,
und Brady nahm sich seinen Regenmantel. Durch den Seiteneingang
verließen sie das Haus.
Der Regen fiel jetzt heftiger, und es sah durch das
Licht der Laternen betrachtet aus, als ob er schräg aus den Wolken
fiele. Sie gingen den kleinen Weg entlang und bogen in die Straße
ein. Der Wagen stand noch dort. Brady schloß die Wagentür
auf, und Mrs. Soames preßte sich mit ihrer massigen Gestalt
hinter das Lenkrad.
Als er sich neben sie setzte, fragte sie ihn ruhig:
»Was geschieht eigentlich, wenn uns die Polizei
anhält?«
»Sie sollten besser beten,
daß sie es nicht tut«, antwortete er. »Wenn sie mich
bekommen, haben sie auch automatisch Sie. Das kann ich Ihnen
versprechen.«
Sie zuckte die Achseln und legte ohne eine weitere
Antwort den ersten Gang ein. Die Straßen waren verstopft von
Fahrzeugen, und die Sicht war durch die frühe Dämmerung und
den starken Regen behindert, aber sie fuhr ausgezeichnet, und sie
erreichten den Hafen in kurzer Zeit.
Als sie zu den Docks kamen, wurden die Straßen
ruhiger. Sie fuhren jetzt durch dunkle Straßenschluchten, die von
großen, für die Nacht verbarrikadierten Lagerhallen gebildet
wurden.
In einer schmalen Gasse brachte sie den Wagen unter
einer Straßenlaterne und neben einer Toreinfahrt zum Stehen.
Durch die eisernen Gitterstäbe konnte er auf den Fluß
hinaussehen. Irgendwo rasselte eine Ankerkette, und eine Schiffssirene
dröhnte schwach von weit flußabwärts.
»Von hier an müssen wir laufen«, erklärte sie.
Er stieg aus und ging um den Wagen herum, um in ihrer
Nähe zu bleiben. Die große Toreinfahrt war
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