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Der gehetzte Amerikaner

Der gehetzte Amerikaner

Titel: Der gehetzte Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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ihnen schmückte sich mit einem Bart.
      Die Bar hatte man in einer Ecke improvisiert; sie
bestand aus rohen Brettern, die über Bierfässer gelegt waren.
Der Barkeeper schien kaum den vielen an ihn gestellten Forderungen
nachkommen zu können; so bediente sich Brady selbst, da er
unterdessen seine Verblüffung überwunden hatte. Er nahm sich
ein Glas Bier und trat zur Seite.
      Im ganzen gesehen war die hier anwesende Menge doch
ein recht widerwärtiger Haufen. Die meisten waren schon betrunken
und schienen nichts als Unfug im Sinn zu haben. Irgend jemand
versuchte, auf einem Tisch einen Handstand zu machen und zugleich ein
Glas Bier dabei auszutrinken. Als er das Gleichgewicht verlor, erhob
sich brüllendes, schadenfrohes Gelächter ringsumher in der
Menge. Brady, der sich angewidert abwenden wollte, wurde hart gegen ein
junges Mädchen gestoßen und schleuderte ihr dabei ein Glas
aus der Hand.
      »Ich bitte um Verzeihung«, sagte er.
»Ich werde Ihnen ein neues Glas holen. Was für ein
Getränk hatten Sie denn?«
      »Oh, das macht gar nichts. Ich hätte nur
gern eine Zigarette, falls Sie welche bei sich haben«, beruhigte
sie ihn.
      Das Mädchen konnte keineswegs älter als
siebzehn Jahre sein. Ihr Gesicht war rund und noch unausgebildet. Sie
war blaß vor Aufregung, während sie ständig
umherschaute, um nur ja nichts zu versäumen.
    Brady reichte ihr eine Zigarette, die sie ungeschickt und zittrig ansteckte.
      »Ist es hier nicht wundervoll?« fragte sie dabei schwärmerisch.
      »Einfach großartig«, bestätigte
ihr Brady. »Wer gibt denn eigentlich die Party, sagen Sie
mal?«
      Voller Erstaunen schaute sie ihn mit ihren großen Kulleraugen an.
    »Wollen Sie etwa sagen, daß Sie das nicht wissen?«
      Er grinste verlegen. »Ich bin gerade erst in die
Stadt gekommen. Ein paar Freunde von mir sind hierher eingeladen worden
und haben mich mitgeschleppt. Es ging alles so eilig und
überstürzt, daß ich gar nicht mehr fragen
konnte.«
      »Na, das kann ich zur Not verstehen«,
beruhigte sie sich. »Lucia gibt die Party; Lucia Davos. Haben Sie
sie noch nicht kennengelernt?«
      Er schüttelte verneinend den Kopf. »Ich
glaube nicht. Ich bin erst ein einziges Mal von den Staaten hier
herüber nach Europa gekommen.«
      »Oh, Sie sind Amerikaner?« Das
Mädchen lächelte freundlich. »Das wird Lucia aber
freuen! Wenn Sie sie einmal kennenlernen wollen, dann müssen Sie
hinübergehen, in den anderen Raum. Lucia singt dort mit der
Kapelle!«
    Eine Hand, deren Besitzer Brady beim
besten Willen nicht ausmachen konnte, packte das Mädchen am Arm
und zog sie davon. Brady drängte sich daraufhin bis zur Tür
durch und ging den Korridor entlang zum anderen Saal zurück.
Während er in der Tür zunächst stehenblieb, kam eine
junge Serviererin in schwarzweißem Kleid an ihm vorbei und
balancierte ein Tablett voller leerer Gläser über ihrem Kopf.
Unter ihren Augen lagen dunkle Schatten von Müdigkeit. Als ein
Betrunkener sie anrempelte und mehrere Gläser auf den Boden warf,
fühlte Brady eine unwillkürliche Sympathie mit dem
Mädchen in sich aufsteigen.
      Er hob die zum Glück heilgebliebenen Gläser auf und stellte sie zurück auf das Tablett.
      »Sie sehen nicht sehr munter aus«, sagte
er zu dem Mädchen. »Können Sie das denn hier
aushalten?«
      Sie lächelte ihm dankbar zu. »Machen Sie
sich nur keine Sorgen um mich. Das Schlimmste ist überstanden. Ich
werde jetzt in die Küche hinausgehen, meine Füße
schonen, eine Zigarette rauchen und eine Tasse Tee trinken.«
      Sie wandte sich ab, und Brady trat in den Saal hinein.
Eine aus drei Mann bestehende Combo, zu der auch ein Schlagzeug
gehörte, spielte einen Blues. Am Piano saß mit
übereinandergeschlagenen Beinen ein Mädchen und sang mit
einer tiefen, kehligen Stimme den Text dazu.
      Man konnte nicht behaupten, daß sie eine gute
Stimme hatte, aber zumindest besaß sie das gewisse Etwas und
einen Hauch von Nacht in ihrer Kehle. Ein Poet hätte diesen
Tonfall vielleicht auch mit spätem Herbst verglichen… Sie
war das typische kleine Mädchen, das sich zu allem berufen
fühlte und das am Ende doch feststellen mußte, daß
ihre Begabung zu keiner Sache ganz ausreichte.
      Die schlanke, knabenhafte Figur im Strickkleid wirkte
merkwürdig reizlos und hatte nicht das geringste Flair von Sex.
Das machte wohl auch das gekräuselte Haar und das Fehlen jeglichen
Make-ups… Als sie ihren Song beendet hatte, gab es

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