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Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)

Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Geiger: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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doch …« Ein erneuter Krampf im Oberschenkel ließ ihn aufstöhnen, und er griff automatisch wieder nach der Tischkante. Als der Schließer vortrat, schüttelte der Vernehmungsbeamte den Kopf. Der Krampf ebbte ab, aber das Zittern blieb.
    Reden, er musste reden. Solange er redete, würde man ihn nicht schlagen. »Es sollte eine Überraschung für meine Frau sein, aber … aber ich ziehe den Antrag natürlich zurück. Ich ziehe ihn jetzt auf der Stelle zurück, und ich werde auch nicht fahren. Ich sage das Konzert ab. Wenn Sie es wünschen, werde ich nie wieder im Ausland spielen. Ich spiele nur noch in Moskau … und in Leningrad … und in …«
    Es sprudelte aus ihm heraus. Ja, er spürte es genau. Er war auf dem richtigen Weg. Das Sprechen, so schien es ihm, machte seine Gedanken klarer, und er meinte im Gesicht des Vernehmungsbeamten ein gewisses Wohlwollen zu entdecken.
    »Ilja Wassiljewitsch, warum sind Sie erst seit drei Jahren Parteimitglied?«
    Das Festhalten an der Tischkante hatte für einige Minuten Erleichterung gebracht, aber jetzt verkrampften sich seine Waden erneut. Er beugte sich vor und rang nach Luft. Eine kurze Handbewegung des Vernehmungsbeamten und er wurde zurückgezogen. Wieder sauste der Stock auf seinen linken Handrücken. Er ließ die Tischkante los und rief: »Nicht. Nicht meine Hände, bitte nicht die Hände.«
    »Beantworten Sie meine Frage«, blaffte der Vernehmungsbeamte.
    »Ich, ich habe mich nie für Politik interessiert, aber ich verehre den Genossen Stalin«, seine Beine zitterten jetzt unkontrolliert, ein Krampf in der Rückenmuskulatur wurde unerträglich. Er streckte ein Bein vor und rutschte unaufhaltsam zwischen Stuhl und Tisch. Sie hievten ihn zurück auf den Stuhl.
    Der Mann beugte sich vor und klopfte mit den Knöcheln auf den Antrag. »Ihre Frau holen wir uns auch noch.«
    Schlotternd vor Entkräftung, war er kaum in der Lage zu sprechen. »Sie hat doch nichts davon gewusst«, brachte er mit einer Stimme hervor, die nicht ihm zu gehören schien.
    »Von dem Fluchtplan!«
    Er nickte. Dann rief er: »Nein! Nein … der Antrag.«
    Das Gesicht des Genossen Vernehmungsbeamten verschwamm.
    »Ich meine … von dem Antrag«, lallte er.
    Dann lag er prustend auf dem Boden, nahm wahr, dass man ihn mit einem Eimer kaltem Wasser wieder zur Besinnung gebracht hatte.
    Sofort setzten sie ihn zurück auf den Stuhl. Der Vernehmungsbeamte sprach jetzt freundlich.
    »Ilja Wassiljewitsch Grenko, ich soll Ihnen im Auftrag des Genossen Kurasch ein Angebot machen.« Er schob das vorbereitete Geständnis zusammen mit einem Füller über den Tisch, so wie es Kurasch getan hatte. »Wir werden Ihnen glauben, dass Ihre Frau nichts von Ihren Plänen wusste, und dafür sorgen, dass sie unbehelligt bleibt. Außerdem werde ich vermerken, dass Sie sich einsichtig zeigen und zehn Jahre in einem Besserungslager wohl ausreichen.«
    Ilja rutschte unaufhaltsam. Das Zittern hatte seinen ganzen Körper erfasst, Krämpfe in Beinen, Rücken, Armen und Schultern schüttelten ihn wie einen Anfallskranken. Seine Blase entleerte sich. Er spürte es nicht, sah nur die Pfütze zwischen seinen Füßen.
    »Ansonsten«, der Beamte zeigte seine gelben Zähne. »Ich habe Zeit.« Er sah auf die Uhr. »Ich werde etwas essen gehen, und Sie werden hier auf diesem Stuhl warten.« Er zeigte auf den Schließer. »Der Genosse wird sich um Sie kümmern. Er ist ein grober Klotz, müssen Sie wissen. Wenn er Ihnen versehentlich die Hände bricht …«, er breitete die Arme aus und hob die Schultern, »das kann schon mal vorkommen.«
    Ilja wollte nach dem Stift greifen, aber seine Hand schlug unkontrolliert wie die Flügel eines gefangenen Vogels, als er versuchte, den Arm auszustrecken.
    »Sie wollen unterschreiben?«
    Er schaffte nicht einmal ein koordiniertes Nicken. Seine Nackenmuskulatur krampfte, und sein Kopf schlug vor und zurück wie ein kurz angebundener Luftballon bei starkem Wind.
    »Na also!« Der Vernehmungsbeamte stand auf. »Legt den wilden Mann erst mal auf den Boden«, lachte er. »Wir wollen schließlich eine leserliche Unterschrift.«
    Er wusste nicht, wie lange es gedauert hatte, aber nach und nach gewann er die Kontrolle über seinen Körper zurück.
    Sie werden Galina in Ruhe lassen … sie werden Galina in Ruhe lassen. Nur noch dieser eine Gedanke, immer und immer wieder.
    Er las das Geständnis nicht einmal durch. Seine Hand zitterte immer noch, aber er schrieb einigermaßen leserlich »Ilja

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