Der Geist des Highlanders
zu wurde sie ein wenig langsamer, aber sie blieb nicht stehen. Der Himmel war bedeckt, und es war kaum jemand unterwegs. Ab und zu orientierte sie sich mit ihrem Kompass, und sie schätzte, dass sie bei diesem Tempo in etwa zwanzig Minuten bei Connor ankommen würde.
Es überraschte sie, die Wälder zu sehen, aber eigentlich wusste sie, dass die Highlands früher reich an Bäumen gewesen waren. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wann genau die Engländer alles abgeholzt hatten, aber zu Connors Zeit schien es auf jeden Fall noch nicht gewesen zu sein. Die Bäume waren wunderschön, aber sie hatte keine Ahnung, wie weit sie schon gekommen war. Es kam ihr so vor, als sei sie schon eine Ewigkeit unterwegs. Ihre Lungen brannten. Ihre Beine wurden schwer, und ihre Hände zitterten.
Einmal blieb sie kurz stehen, um Luft zu holen, und als sie sich wieder aufrichtete, sah sie, dass der Wald ein Ende hatte. Auf einer Lichtung vor ihr lag das Schloss. Natürlich hatte sie schon Schlösser gesehen, aber noch nie eine mittelalterliche Burg in der Zeit, in der sie erbaut worden war. Jedenfalls hoffte sie, dass es die richtige Zeit war.
Und das richtige Schloss.
Einige Minuten lang rang sie mit sich und überlegte ihre nächsten Schritte. Sie hatte vorgehabt, mit Connor zu reden und dann abzuwarten, was passierte. Sie hoffte, dass sie ihn mit ihrem Charme bezaubern könnte oder zumindest so verunsichern, dass er sich die Zeit nahm, ihr zuzuhören. Und sie betete inständig, dass er sie nicht in seinen Kerker warf.
Aber vielleicht war das gar nicht das richtige Schloss. Oder noch schlimmer, sie war vielleicht in der falschen Zeit gekommen. Was sollte sie zum Beispiel machen, wenn Connor noch ein Wickelkind war?
Plötzlich ertönte Dudelsackmusik.
Mit offenem Mund lauschte sie der Melodie, die Connor ihr oft genug vorgesungen hatte. Allerdings hatte Jamie sie auch gekannt, deshalb konnte es durchaus sein, dass sie sich im falschen Teil von Schottland befand.
Als der letzte Ton verklang, hielt Victoria den Atem an. Und dann trug der Wind eine andere Melodie zu ihr. Es war Connors Lieblingsmarsch.
Die einzige Weise, die Jamie nicht gekannt hatte.
»Nun«, sagte sie laut, »das ist ein gutes Zeichen.« Sie steckte den Kompass wieder in ihren Strumpf, schob Jamies Dolch, den sie die ganze Zeit über griffbereit gehalten hatte, in die Scheide und ging auf das Schloss zu. Fast wäre sie ungehindert bis zum Eingang gekommen, aber im letzten Moment kam ein Schotte herausgestürzt. Bei ihrem Anblick blieb er überrascht stehen, zog sein Schwert und richtete die Spitze auf sie. »Wer seid Ihr?« fragte er.
Er sah Connor so ähnlich, dass Victoria unwillkürlich lächeln musste. »Ich bin von französischem Adel«, erwiderte sie. »Ich möchte zum Laird, zu Connor.«
Verwirrt blickte er sie an. »Seid Ihr alleine? Wo sind Eure Leute?«
Nun, wenigstens sagte er ihr nicht, dass sie hier falsch war. Es sah alles ganz gut aus.
»Meine Männer wurden erschlagen«, sagte sie. »Von den Campbells.«
»Die verdammten Schurken«, erklärte der Mann mit
Nachdruck. Er hob sein Schwert und nickte zur Burg hin. »Nun, dann kommt herein. Ihr seht nicht besonders gefährlich aus. Ich muss Euch also wohl nicht entwaffnen.«
»Vielen Dank«, entgegnete sie höflich.
Grinsend zuckte er mit den Schultern. »Gerne, für so ein hübsches Mädchen.« Er schwieg. »Wie ist Euer Name, meine Schöne?«
»Victoria McKinnon«, sagte sie.
Seine Augen weiteten sich. »So?«
»Ich bin ganz bestimmt nicht mit den McKinnons verwandt, die Ihr nicht mögt.«
»Der Laird mag überhaupt keine McKinnons«, erwiderte er. »Ich würde an Eurer Stelle den Clannamen für mich behalten.«
»Danke für den Rat. Wie war noch einmal Euer Name?«
»Cormac MacDougal.« Er lächelte. »Ich bin ein Vetter des Lairds.«
»Wie schön für Euch. Dann lasst uns zu ihm gehen, ja?«
Cormac nickte und führte sie in die Burg. Der Boden war übersät mit Abfall, den Victoria lieber nicht genauer betrachtete.
»Iih«, machte sie unwillkürlich.
»Ja, ich weiß«, erwiderte Cormac. »Diese verdammten faulen Diener. Ich mag es auch nicht, wenn das Stroh so frisch ist. Ich bevorzuge es, wenn es schon ein wenig festgetreten ist.«
Victoria war froh, dass sie robuste Stiefel trug, sodass ihre bloßen Füße nicht mit dem Boden in Berührung kamen. Sie wollte lieber nicht wissen, was sich unter dem Stroh alles so herumtrieb. Ihr schauderte bei dem Gedanken daran, wie wohl das
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