Der Geist des Highlanders
vielleicht sah das im Feuerschein auch nur so aus.
»Du bist bei mir geblieben«, flüsterte sie.
»Das habe ich doch gesagt.«
Sie schloss die Augen wieder und schlummerte erneut ein.
11
Connor machte sich Sorgen. Es lag eigentlich nicht in seiner Natur, aber in diesem Fall ging es um Victoria.
Sie arbeitete so hart, dass er das Gefühl hatte, es fehlte nicht viel, und sie würde zusammenbrechen.
»Noch einmal«, fauchte sie Fellini und Mistress Blankenship an.
»Aber Victoria«, beschwerte sich Cressida, »wir haben die Szene doch schon drei Mal wiederholt.«
»Und drei Mal war sie entsetzlich«, erwiderte Victoria kurz angebunden. »Willst du schlechte Kritiken ernten, Cressida? Du sollst das Publikum in deinen Wahnsinn hineinziehen, und ihn nicht den Zuschauern aufzwingen.«
Connor blickte zu Fellini, der Cressida mehr als einmal gesagt hatte, sie agiere nicht heftig genug. Der Mann stand mit verschränkten Armen auf der Bühne, und seine Augen funkelten wütend.
Cressida hingegen sah so aus, als ob sie tatsächlich wahnsinnig würde - wahrscheinlich wusste sie nicht, welchen Rat sie befolgen sollte.
»In Ordnung«, wimmerte sie schließlich. »Ich kann es ja noch einmal versuchen.«
»Ja, natürlich kannst du es noch einmal versuchen«, erwiderte Victoria. »Und gib die lächerliche Dramatik am Tor ab, ja?«
Einige der anderen Schauspieler keuchten auf, und Connor trat näher. Bestimmt würde Blut fließen. Aber Cressida nickte nur gehorsam und nahm ihren Platz auf der Bühne wieder ein. Fellini blieb stumm und aufmerksam am Rand stehen. Connor stellte sich dicht neben ihn, um zu hören, was
der Mann vor sich hin murmelte. So war er auch in Victorias Nähe, falls sie zusammenbrechen sollte.
Aber das tat sie natürlich nicht. Und das versetzte ihn in höchste Sorge.
Sie war am Morgen aufgewacht, hatte ihm höflich dafür gedankt, dass er bei ihr geblieben war, und war dann sofort an ihre Sonntagsarbeit gegangen - die Schauspieler hatten Glück, dass keine Proben angesetzt waren.
Aber ihren anderen Aufgaben hatte sie sich unermüdlich gewidmet, ohne sich eine Pause zu gönnen. Connor verstand das gut. Es gab nichts Besseres als Arbeit, um Emotionen in Zaum zu halten. Aber er fragte sich trotzdem, wie sie es durchhielt. Sie war so zart und lieblich; eigentlich hätte der Druck sie zu Boden werfen müssen.
Ihr Bruder, der gerade angekommen war, war völlig anders. Seine Schultern waren breit genug für jede Art von Last. Connor beobachtete Thomas McKinnon, der durch die Tore von Thorpewold schritt, als ob ihm das Schloss gehörte. Er war allein, und Connor fragte sich, wo wohl seine Frau war. Iolanthe MacLeod würde sich doch bestimmt die Gelegenheit nicht entgehen lassen, hierher zu kommen und sich als verheiratete Frau zu präsentieren, während Connor immer noch der betrogene Ehemann war, der hier sein Dasein als Schatten fristete.
Das Leben war schon äußerst seltsam.
Jetzt trat Thomas auf seine Schwester zu. »Vic?«
Victoria blickte ihn noch nicht einmal an. »Später.«
»Später?«, echote Thomas. »Ich bin eben erst hier eingetroffen, und dir fällt nichts Besseres ein als >später«
»Schön, dich zu sehen«, fügte sie hinzu. »Und jetzt verschwinde und lass mich meine Arbeit hier beenden.«
Connor lachte leise auf. Bei allen Heiligen, es war eine nette Abwechslung, dass Victoria auch jemand anderen als ihn so scharf zurechtwies. Und wer hätte es mehr verdient als ihr arroganter, grässlicher Bruder?
Thomas schüttelte seufzend den Kopf. Auch das verstand Connor. In der Hitze des Gefechts war mit Victoria nicht zu reden. Langsam kam Thomas über den Burghof auf ihn zu.
»MacDougal«, sagte er.
»McKinnon«, erwiderte Connor.
»Ich sehe, dass meine Schwester noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist. Ihr habt also noch nicht angefangen, sie zu erschrecken.«
Connor grunzte. »Sie hat mir einen ganzen Monat voller Schreie versprochen, wenn ich sie und ihre Schauspielertruppe für die Dauer des Stücks in Ruhe lasse.«
Thomas riss den Mund auf. »Tatsächlich?«
»Ja.«
»Und Ihr habt Euch darauf eingelassen.«
»Sie ist ein geschickter Verhandlungspartner.«
Thomas blickte ihn erstaunt an. »Ich fasse es nicht! Ihr kommt also gut miteinander aus?«
»Sie ist - abgesehen von Eurer Großmutter und unserer guten Lady Blythwood - die Ausnahme in Eurer Familie. Das scheint am Blut der MacLeods zu liegen, das durch ihre Adern fließt, auch wenn es mich schmerzt, das
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