Der Geist des Highlanders
ihnen ausgehen musst«, korrigierte Victoria sie. »Auftreten könntest du doch ohne Weiteres mit ihnen. Du solltest einen netten Anwalt heiraten, der zum Vergnügen Gitarre spielt und sich nichts daraus macht, wenn du dreimal die Woche zur Orchesterprobe gehst. Du spielst wahrscheinlich gar nicht mehr Geige, oder?«
»Doch, ab und zu. Wenn ich die Frotteestoffe leid bin.«
Victoria hob die Hände. »Sie macht mich wahnsinnig«, sagte sie zu Connor.
»Aber sie ist wahrscheinlich die einzige, die dir in den nächsten Tagen etwas zu essen besorgen kann«, erwiderte er. »Du solltest sie nicht zu sehr gegen dich aufbringen.«
Victoria schürzte die Lippen. »Da hast du vermutlich recht. Aber wenn wir zurück sind, unterhalten wir uns mal über deine Lebensziele, Jennifer«, fügte sie an ihre Schwester gewandt hinzu. »Und zwar ausführlich.«
»So«, sagte Thomas und stellte sich neben sie, »ihr solltet jetzt aufbrechen. Wer weiß, wann Mrs Pruitt zurückkommt. Seid ihr bereit?«
»Ja«, erwiderte Victoria. Sie blickte ihre Schwester an. »Sollen wir?«
»Viel Glück«, sagte Thomas. Er umarmte erst Victoria und dann Jennifer. »Connor soll gut auf euch aufpassen.«
Er trat einen Schritt zurück.
Victoria ergriff Jennifers Hand und streckte die andere Connor hin, während sie einen Schritt vorwärts machte. Sie hätte schwören können, dass sie etwas spürte, aber dann war das Gefühl weg, und sie standen nicht mehr auf Farris’ Feld.
Sie standen in einer Gasse mitten in der Stadt.
»So weit, so gut«, sagte sie.
»Das sehe ich anders«, meinte Jennifer. »Du solltest dich einmal umdrehen.«
Gehorsam drehte Victoria sich um.
Dort standen ein halbes Dutzend Strolche. Am helllichten Tag. Victoria fluchte unterdrückt. Das hier war wahrscheinlich nicht das beste Viertel der Stadt. Sie hätten sich auf eine wohlhabendere Straße wünschen sollen.
Sie stemmte die Hände in die Hüften und setzte ihre fins-terste Miene auf. »Macht den Weg frei, ihr Halunken!«, rief sie mit fester Stimme.
Die Männer wirkten nicht beeindruckt.
»Straßenräuber«, fügte sie in beleidigendem Tonfall hinzu.
»Du lieber Himmel«, sagte Jennifer. »Fällt dir nichts Besseres ein?«
»Ich glaube, es ist ihnen egal, wie wir sie bezeichnen«, erwiderte Victoria.
»Verzeihung«, sagte eine Stimme hinter ihnen.
Victoria duckte sich und zog Jennifer aus dem Weg, als Connor mit gezogenem Schwert und einem furchterregenden Schlachtruf an ihnen vorbeistürmte.
Drei der Männer gaben sofort Fersengeld.
Die anderen drei jedoch blieben unschlüssig stehen. Zwei von ihnen zogen ebenfalls ihre Schwerter. Der dritte trat beiseite, um sich das Handgemenge anzusehen.
»Na, toll«, sagte Victoria.
»Es sind nur noch drei«, meinte Jennifer. »Das ist doch nicht schlecht.«
»Es wird so aber nicht funktionieren«, erklärte Victoria.
Connor fluchte laut und stürzte sich mit der Begeisterung eines kampflustigen Highlanders ins Gefecht. Er bot einen großartigen Anblick.
Aber sein Schwert, das er mit viel Geschick und Umsicht führte, machte kein Geräusch, wenn es auf die Waffen der anderen beiden Männer traf.
Das fiel auch seinen Gegnern nach kurzer Zeit auf.
»Oi«, sagte einer, »er ist nicht das, für was wir ihn halten.«
»Komm, wir machen ihn nieder.«
»Er ist schrecklich groß«, gab der erste zweifelnd zu bedenken. »Auch wenn sein Schwert keinen Lärm macht.«
»Und, was sollen wir tun?«, fragte der Zweite.
»Gegen ihn kämpfen?«, schlug der Erste vor.
»Ja, genau, das solltet ihr tun«, sagte Connor voller Ingrimm.
Und dann nahm er seinen Kopf ab und steckte ihn sich unter den Arm.
Die beiden Männer schrieen auf, ließen ihre Schwerter fallen und rannten davon. Erst als sie schon am Ende der Gasse angelangt waren, fiel Victoria auf, dass auch Jennifer schrie. Sie selber hatte sich ebenfalls ein wenig erschreckt, als Connor seinen Kopf von den Schultern nahm, aber sie hatte sich rasch mit dem Anblick abgefunden.
»Jenner, sei still!«, rief sie. »Connor ist nichts passiert. Er hat den Männern nur ein wenig Angst eingejagt.«
Nun ja, zwei von ihnen jedenfalls. Der Dritte im Bunde war noch da.
Höhnisch grinste er Connor an und marschierte durch ihn hindurch. Auf einmal stand Victoria vor dem unangenehmsten Kerl, der ihr jemals begegnet war. Seine Zähne waren verfault, er blies ihr seinen stinkenden Atem ins Gesicht, und gewaschen hatte er sich anscheinend noch nie in seinem Leben.
Er steckte sein
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