Der Geist des Highlanders
ein mürrischer, mittelalterlicher Highland-Laird.
»Ich verstehe dein Unbehagen«, erwiderte er. »Das Unbekannte macht einem immer Angst. Vor einem Kampf habe ich mir auch immer Sorgen gemacht.«
Sie blickte ihn an und dachte, dass die Gegner doch sicher allein schon bei seinem Anblick vor Angst schreiend weggelaufen waren. »Du hast dir Sorgen gemacht?«, fragte sie ungläubig.
Er schwieg. »Ja, ein wenig«, gab er dann zu.
»Stell dir bloß mal vor, wie deine Feinde sich gefühlt haben mögen!«
»Wahrscheinlich war Ihnen ebenfalls ein wenig unwohl«, erwiderte er. »Dass ich mir Gedanken gemacht habe, hat allerdings dazu beigetragen, dass ich besonders achtsam war.
Es war vermutlich ein ähnliches Gefühl, wie es deine Schauspieler vor der Aufführung empfinden.«
»Bei dir klingt es so, als sei unser Vorhaben nicht gefährlicher, als ins Badezimmer zu gehen.«
Er schnaubte. Es klang fast wie ein Lachen.
»Ich glaube, du hast gelacht«, sagte sie.
»Ich lache nie.«
»Aber falls ich im England der Renaissance sterben sollte, möchte ich dich vorher noch gerne lächeln sehen.«
»Du wirst nicht sterben, wenn ich es verhindern kann.«
»Du weichst mir aus.«
»Ja.«
Victoria seufzte. »Na, zumindest bist du aufrichtig.«
»Wenn der Tod nahe ist, werde ich für dich lächeln. Aber hoffe nicht zu sehr darauf. Wir holen deine Granny und werden rechtzeitig zur Premiere wieder hier sein.«
»Und Michael«, rief sie ihm ins Gedächtnis.
Connor schürzte die Lippen. »Ja, nun, wir werden wohl auch nach ihm Ausschau halten müssen. Vermutlich finden wir ihn dort, wo wir auch unseren guten Master Shakespeare antreffen, meinst du nicht auch? Vielleicht aber auch nicht. Wir werden zuerst die Örtlichkeiten absuchen, an denen wirklich schlechtes Schauspiel geboten ist.«
Er hatte vermutlich recht. Leider konnten sie Michael nicht mit gutem Gewissen sich selbst überlassen. Sie konnte nur hoffen, dass sie rasch ihr Ziel erreichten und alle Beteiligten heil und gesund wieder hier ankamen.
Die Alternative wollte sie lieber nicht bedenken.
Für den Rest des Tages verdrängte sie alle Gedanken an ihr Vorhaben. Als es Abend wurde, hatte sie im Theater alles erledigt und die Kleidungsstücke bereitgelegt, die für zwei junge Männer im London des sechzehnten Jahrhunderts geeignet erschienen. Connor bekam verschiedene Kombinationen vorgelegt, bestand allerdings darauf, sich zum Umkleiden zurückzuziehen. Als er das erste Mal in Puffhosen und Samtweste wieder ins Wohnzimmer trat, bekam Thomas beinahe einen Erstickungsanfall.
»Vielleicht sollten wir etwas weniger Auffälliges nehmen«, schlug Victoria vor.
Connor warf ihr einen finsteren Blick zu, stampfte aus dem Zimmer und kam kurz darauf in konservativer Zunftkleidung wieder. Nichts Gebauschtes, weniger Brokat und weniger Zierrat. Es stand ihm eigentlich ganz gut.
»Perfekt!«, verkündete sie.
»Ich sehe aus wie dein Diener«, murrte er.
»Nein, so schlimm ist es nicht. Und ich kann meine Kleidung auch noch ein wenig anpassen, wenn du möchtest.«
»Woran anpassen?«, fragte ihr Vater, der gerade ins Zimmer trat. Er blickte sie verwundert an. »Wollt ihr alle im Stück mitspielen?«
Victoria hielt es für das Beste, ihm auf seine Frage gar keine Antwort zu geben.
Das Abendessen schleppte sich dahin, und Victoria entschuldigte sich früh, um zu Bett zu gehen. Sie wünschte ihren Eltern gute Nacht und küsste ihre Mutter.
Anscheinend hatte Helen sie längst durchschaut. »Ich weiß, was du vorhast«, murmelte sie.
Victoria blickte sie erstaunt an.
Ihre Mutter brachte sie an die Tür und sagte liebevoll: »Sei vorsichtig.«
»Hat Thomas es dir erzählt?«, fragte Victoria.
Helen schüttelte den Kopf. »Nein. Ambrose.«
»Oh, Mom, nicht du auch noch.«
Helen lächelte. »Es liegt uns im Blut, Liebes. Und ich bin dir dankbar, dass du für deine Granny ein solches Opfer bringst.«
»Es wird schon alles gut gehen.«
»Dafür wird Connor schon sorgen«, sagte Helen zuversichtlich.
»Hm«, brachte Victoria hervor. Sie fragte ihre Mutter erst gar nicht, woher sie wusste, wozu Connor in der Lage war oder nicht. Ihre Mutter hatte ihn mit Sicherheit ausgequetscht, während Victoria mit ihrer Produktion beschäftigt war.
Als sie die Treppe hinunterging, dachte sie darüber nach, ob wohl alles gut gehen würde. Vor der Tür zur Bibliothek stand Connor. Er sah so real aus wie ein lebendiger Mensch.
Vielleicht würde es ja doch funktionieren.
Sie zog den
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