Der Geist des Nasredin Effendi
Schulterzucken sprach, nahm er das Messer von der Kehle des Mannes.
»Aber andere – der Teufel soll sie holen – haben an dein Geld gedacht, und ich Esel«, der andere wandte vorsichtig den Kopf zur Seite, erfaßte mit ausgestrecktem Arm Scheine, hob sie ein wenig an und ließ sie flattern, »wollte sie dir bringen. Springst mich an wie eine Sandviper.«
»Meine Scheine?« Obwohl irgendwie überzeugt, daß der andere die Wahrheit sprach, fragte Nasreddin mit deutlichem Unglauben in der Stimme, beinahe fassungslos, weil er nichts begriff.
»Ja, deine!« Der Lenker des Karrens wurde zornig. Erneut griff er nach dem Geld, knüllte einiges zusammen und schleuderte es von sich.
»Und bist du – kein Räuber?« fragte Nasreddin, ein wenig lauernd. Und es war nicht nur so eine Frage. Es könnte ja sein, dachte er, daß dieser mich dort beobachtet, selbst das Geld weggenommen und gemeint hat, ich könne noch mehr davon bei mir haben. Und das wollte er sich nun holen. Daß er das Tuch in der Hand hielt, war eine üble Finte!
»Genausowenig, wie du kein Esel bist!« Nasreddin brauchte eine Sekunde, bis er den Sinn der Worte begriff. »Werd nicht frech«, rief er. Dann, das Messer in der Vorhalte, den Mann fixierend, erhob er sich langsam, stand mit gegrätschten Beinen. »Bleib mir vom Leib, hörst du!« Schnell brachte er einen gehörigen Abstand zwischen sich und den am Boden Liegenden, beobachtete jenen jedoch scharf.
Der Mann hatte keine Eile. Er richtete sich behutsam zum Sitzen auf, dann schüttelte er sich, nahm eine Hand nach vorn und rieb sich die Magengegend. »Bist ein Grobian, Onkel chen«, sagte er, aber es klang versöhnlich. »Und manchmal hakt’s hier aus, was?« Er tippte sich an den Kopf.
Der verlegene Nasreddin verzog den Mund, sagte nichts. Der Mann breitete das Tuch auf seinen Schoß und begann das herumliegende Geld aufzusammeln. »Kannst mir wenigstens helfen, es ist dein Geld!« brummte er.
Zögernd folgte Nasreddin. Er nahm die Münzen und Scheinchen auf, die außerhalb der Reichweite des sitzenden Karrenlenkers lagen. Aber immer noch beobachtete er den Mann.
Als sie alles im Tuch hatten, nahm Nasreddin seinen Platz im ruppigen Gras am Straßenrand wieder ein. Der Mann aber stellte sich langsam auf die Füße und schritt steifbeinig auf Nasreddin zu, so wie man sich beruhigend einem zähnefletschenden Hund nähert. Ausgestreckt hielt er an den Zipfeln das zusammengeschlagene Tuch. »Warum nimmst du es nicht, es gehört dir!«
Nasreddin richtete sich auf, stand wie unverhofft mit Wasser begossen, und er fühlte, wie ihm Schamröte ins Gesicht stieg. An der Lauterkeit des Mannes zweifelte er nicht mehr. In seinem Kopf summte es, und ein Druck legte sich auf seine Kehle, der ihm das Sprechen versagte. Als sei es etwas Heißes oder gar ein Stück Unrat, nahm er mit ebenfalls ausgestrecktem Arm und spitzen Fingern das Bündel, wußte dann nicht, wohin damit, blickte sich unbeholfen um, ging steif in die Hocke und legte es neben sich.
Da machte der Karrenlenker einen Schritt auf den Verdatterten zu, klopfte ihm auf die Schulter. »Mach dir nichts draus«, rief er jovial, wandte sich ab, zögerte, ging ein paar Schritte, drehte sich wieder halb um und fragte: »Sag, du bist wohl nicht von hier?«
Nasreddin nickte, schüttelte dann den Kopf. Und noch immer wie abwesend, antwortete er: »Ich bin aus Aksehir…« Und nun hob doch ein wenig Stolz die Stimme: »Der Gebieter hat mich an seinen Hof gerufen, weil er bis Samarkand von mir gehört hat!« Er machte eine Pause, faßte sich an den Hals und fügte kleinlaut hinzu: »Allah hat es so gewollt, daß dieser Besuch, hm, ein wenig unglücklich ausging.«
Der Mann hatte verdutzt die Stirn gerunzelt und beim Nennen des Ortes Aksehir durch die Zähne gepfiffen. »Der Gebieter, tja, meinst du den Rayonsvorsitzenden oder den Gebietssekretär der Partei?«
Nasreddin warf sich in die Brust. »Timur selbst, du Unwissender, meine ich!«
Der Mann zog hörbar die Luft durch die Nase ein. Die Furchen in seiner Stirn vertieften sich, der Schalk trat in seine Augen. »Ich verstehe«, sagte er mit betontem Kopfnicken. »Timur, der Lahme. Und wie kommst du in den Rayon Urgentsch? Immerhin war, ist Timur in Samarkand, und das ist weit von hier.«
»Das, Freund, weiß ich. Aber das ist eine lange Geschichte und eben mein Unglück. Er gestattete mir eine Inspektionsreise nach Chiwa zum Chan, seinem Neffen. Und unterwegs, Freund, sah
Weitere Kostenlose Bücher