Der Geist des Nasredin Effendi
– oder so ähnlich.
Findet er bei mir nichts, wird er ärgerlich werden, außerdem wird er nicht wollen, daß ich ihn eines Tages wiedererkenne und dem Khadi übergebe. Also hat er nicht den geringsten Grund, mir die Kehle nicht durchzuschneiden, ob ich Scheinchen habe oder nicht.
Nasreddin, es ist viel zuviel, an einem Tag den Hals zweimal abgeschnitten zu bekommen. Und bist du einmal entwischt, sogar dem Chan mit seinen Schergen, wird ein Straßenräuber nicht vollenden, was jenen so wundersam versagt geblieben.
Nasreddin trat einen Schritt zurück. Nur einen Augenblick dachte er an sein Darben im Kerker, aber er fühlte seinen Körper so kräftig. »Pech, Freundchen«, sagte er, und zum Teil war sein Bedauern echt. »Nicht ein einziges Scheinchen habe ich mehr.« Er knüpfte mit der freien Hand behend die Kordel des Chalats auf, ließ das Kleidungsstück über die linke Schulter fallen, zog den rechten Arm mit dem Messer durch den weiten Ärmel – schließlich war der Räuber kein leichter Gegner, und der Mantel würde beim Kampf hinderlich sein –, sprang mit erhobenem Messer plötzlich und mit größter Kraftanstrengung vor und hieb dem Gegenüber beide angezogenen Knie in den Leib. Der Mann, auf den Angriff nicht gefaßt, schlug mit einem kläglichen Röcheln zu Boden und wand sich. Beim Fallen flatterte etwas aus seiner verdeckten Hand, was zu ergründen Nasreddin keine Zeit blieb – wie ein Messer, merkwürdig, sah es jedenfalls nicht aus.
Nach einem weiteren Satz hockte sich Nasreddin dem Gegner auf den ohnehin schon mißhandelten Magen und hielt ihm die Klinge so fest an die Kehle, daß beim geringsten Druck Blut fließen würde.
Nasreddin war kaum außer Atem. Alle Achtung, meinte er anerkennend. Bist stark, Nasreddin. Und das ist ein unerfahrener Räuber, ein Anfänger. Einen Augenblick gedachte er seines alten Chodschas Mulim Aba, der ihm diesen Trick der Selbstverteidigung beigebracht hatte. »So, Freundchen«, sagte er ruhig, »nun wollen wir weitersehen. Auf jeden Fall werde ich es dir austreiben, friedliche Wanderer zu überfallen.«
Auf der Straße fuhren weiter Fahrzeuge aller Art, aber niemand gewahrte diese merkwürdige Gruppe, bestehend aus einem intensiv grasenden Esel und einem auf einem anderen sitzenden Mann mit einem bedrohlichen Messer. Sie wurden durch den am Rand des Weges stehenden Karren gegen Sicht geschützt.
Der Mann unter Nasreddin stöhnte, verdrehte die Augen, offenbar quälten ihn noch Leibschmerzen.
Nasreddin spürte nur mäßige Regungen des Körpers, keine aber, die darauf hindeutete, daß der andere Kräfte sammelte, um den Angreifer abzuschütteln.
Als sich der Räuber ein wenig erholt hatte, stand ihm weiter nichts als zunächst Staunen, dann Zorn im Gesicht. Aber er sagte nichts, und – sich offenbar der Gefahr bewußt – er bewegte sich auch weiterhin nicht.
Nasreddin wurde unsicher, seine Erregtheit schwand. Warum, zum Teufel, macht jener Mensch nicht die geringsten Anstrengungen, sich zur Wehr zu setzen? Er löste seinen Blick aus dem Gesicht, das, obwohl es nun nicht mehr lachte, ein durchaus freundliches war, und entdeckte etwas Erstaunliches: Rings um ihn her lagen Münzen und Scheinchen im dürren, staubigen Gras. Einige der Papiere bewegten sich im leichten Wind, der über die Baumwollfelder strich. Und unter dem Kopf des Geschlagenen lugte der Zipfel eines Tuches hervor, das erstaunliche Ähnlichkeit mit jenem hatte, in das Nasreddin seine Münzen und Scheinchen eingebunden hatte auf dem Basar in Chiwa.
Leise, daß der Kehlkopf nicht zu sehr schwang, rief der Mann: »Onkelchen, du bist gewiß dümmer als dein Esel!«
»Halt dein loses Maul, oder ich lasse dir die Luft aus dem Blasebalg!« Aber es klang schon unsicher, was Nasreddin da mit halbgespieltem Grimm von sich gab, und lockerte die Verkrampfung, in der er die Schneide des Messers an die Haut des anderen drückte.
»Also du warst im Magazin, hast dich dort betragen wie ein närrischer Elefant und hast obendrein dein Geld liegenlassen, weil du weggerannt bist, als sei der Leibhaftige hinter dir her.«
»Was geht’s dich an?«
»War es so?«
»Aber nicht wie ein Elefant, ein närrischer…« Nasreddin versuchte vergeblich, seiner Stimme Forsche zu verleihen.
»Also was ist? Das Geld, hast du es liegenlassen?«
»Der Scheitan hat mir diese – Apfelwalzen in den Weg gestellt. Wie konnte ich da an das – Geld denken!« Während Nasreddin mit einem
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