Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
erneut nach links, ganz weit weg, aber noch erkennbar, stand eine rote fahrbare Hütte. In ihren Fenstern brachen sich die Strahlen der Sonne.
     Schon nach einer Stunde erreichte Nasreddin einen großen Kischlak, in den die Straße mitten hineinführte.
    Gleich am Rand gelangte er auf eine Brücke, die über eine stattliche Anzahl eiserner Stränge führte, die in der Sonne blinkten und mit kräftigen Sprossen wie bei einer Leiter verbunden waren.
     Wie Nasreddin noch dastand, um sich diese Merkwürdigkeit zu betrachten, donnerte unter ihm, unter der Brücke hervorschießend, eine mächtige Gliederschlange entlang, die kreischte und klopfte. Aber auch sie besaß an der Seite Fenster, aus denen – Allah ist groß – Leute herausschauten.
     Nasreddin war abgestiegen, lehnte sich über das Geländer und studierte diese neue Seltsamkeit. Und bald überblickte er, daß diese Wagenschlangen, es gab welche für Menschen und welche für Güter, so wie der Pfeil in der Nut im Schaft der Armbrust, von diesen eisernen Strängen auf ihren Weg gezwungen wurden. Also gegenüber dem, was er schon kannte, eigentlich auch nichts Besonderes mehr. Aber wie viele Schwerter könnte der Gebieter aus diesem Eisen schmieden lassen!
    Nasreddin verließ die Brücke, blieb aber nach kurzer Zeit erneut stehen. Linkerhand befand sich ein Zaun aus einem Geflecht, und er umgrenzte einen Hof, in dem himmelhohe Berge, aufgebaut wie Schmuckkästen, von – kein Zweifel! – Baumwolle aufragten. Ungeheuer verworrene beräderte Wagen standen umher, alle von blauer Farbe. Und ihm fiel dieser Karrenlenker ein, der von blauen Elefanten gesprochen hatte und damit Maschinen meinte. In der Tat, diese da in dem Hof besaßen vorn einen dicken Schlauch, als sei es ein Rüssel. Nasreddin hatte aufgehört, sich in einem fort zu wundern. Er begriff vieles nicht, es hieß einfach, sich damit abzufinden. Allerdings, er hätte schon gern gewußt, was das kleine Volk der Usbeken wohl mit diesen riesigen Bergen von Baumwolle anfangen mochte.
     Prächtige Kischlaks aus Steinen nahmen links und rechts der Straße zu. Längst trugen die Dächer nicht mehr den charakteristischen Wintervorrat an Stroh und Brennmaterial, spitz ragten die meisten gen Himmel, mit Blech oder gebrannten Ziegeln abgedeckt. Eine prachtvolle Stadt, würdig der Residenz eines Großchans.
    Obwohl Nasreddin ahnte, daß er sich in Urgentsch befinden mochte, fragte er einen Passanten, einen alten Mann. Er hatte die Erfahrung gemacht, daß die Alten ihn besser verstanden als die Jungen. Und er erfuhr, daß er sich tatsächlich in Urgentsch befand. Wenn er bislang noch nicht in aller Deutlichkeit zu spüren bekommen hätte, daß sich die Welt um ihn her verändert hatte, dieses Urgentsch hätte ihm spätestens die Augen geöffnet. Das hier war der winzige, gerade wieder im Entstehen begriffene Kischlak, in dem noch nicht einmal ein Basar abgehalten wurde, als er, Nasreddin, noch in Freiheit mit der Karawane hier ein paar Stunden verweilte. Aber – so tröstete er sich – wenn alles anders oder neu ist, es wäre verwunderlich, wäre Urgentsch alt geblieben! Nasreddin rief sich das Erlebnis der vergangenen Nacht ins Gedächtnis, wurde darüber froher, so daß er, ein Liedchen trällernd, in die Stadt einritt, so als wäre er in ihr aufgewachsen, hätte als Kind jeden Winkel durchstreift. Richtig glücklich fühlte er sich, als er auf einer breiten Straße, die zu überqueren er sich nicht gewagt hatte, so viele Hütten und Karren fuhren wie leibhaftige Blitze ständig hin und her, an einen großen, bunten Basar kam. Er band seinen Esel an einen Baum, weil er sah, daß es andere ebenso hielten. Ein paar staubige Grasbüschel standen sogar dort, über die das genügsame Tier sich sofort hermachte.
     Eingedenk seiner Absicht, vorsichtig zu sein, mischte sich Nasreddin unter jene, die in stetem, endlosem Strom an den Ständen und Auslagen vorbeidefilierten. Er besah sich alles, hörte da und dort zu, vernahm Vertrautes und Fremdes, betrachtete sich eingehend Kaufgeschäfte. Es gelang ihm auch die ganze Zeit, seinen mundwäßrigen Appetit, seinen Hunger auch angesichts der vielen Köstlichkeiten zu zügeln. Dann aber kaufte er ein, was er für zwei bis drei Tage zu benötigen glaubte. Er wandte sich auch hier an alte Leute. Und wenn sie auch mit dem, was er sagte, Schwierigkeiten zu haben schienen, schließlich verstanden sie ihn so gut, wie ihn dieser Karrenlenker verstanden hatte.
     Nasreddin konnte

Weitere Kostenlose Bücher