Der Geist des Nasredin Effendi
der geringste Zweifel. Ja, es war der Mann. Nasreddin erkannte das Gesicht, die gebogene Nase. Und einmal, als jener sprach, blitzte der Goldzahn neben der Lücke im Gebiß.
Die vier Räder waren schnell im Anbau verschwunden. Aber statt danach die Maschine wieder zu besteigen und fortzufahren, gingen die Spitzbuben auf den dritten Mann zu, und jener zählte dem mit dem Nasenhöcker Scheinchen in die Hand. Als er das beendet hatte, gab es einen Disput. Wäre er nicht in jener fremden Sprache geführt worden, Nasreddin hätte viel verstanden, so laut wurde er geführt. Sie handeln auch noch, dachte er. Schließlich packte der Mann einige Scheine dazu, und dann stiegen die anderen in die Maschine, winkten freundlich lachend zurück, als wollten sie sagen: Bis zum nächstenmal!
Die Maschine reihte sich in den Strom der anderen ein, fuhr an Nasreddin vorbei und bog, nicht zu weit entfernt, nach links ab.
Nasreddin nahm zufrieden seinen Esel und ging in ebendiese Richtung. Ob man auf einem Basar Äpfel, dem Chan ein Pferd oder einem Dümmling Münzen stiehlt oder wie hier die Räder einer Maschine – gestohlen ist gestohlen. Ist man schlau, wird man nicht erwischt, stellt man es ungeschickt an, kommt man vor den Khadi, eine Hand wird abgeschlagen, man wird in den Kerker geworfen. Wenn man Glück hat, geht es ab mit fünfundzwanzig Hieben auf die Fußsohlen. Diese Diebe hier sind sicher schlau. Sie haben ihre Scheinchen, die Räder sind verschwunden. Ein schönes Leben werden sich die Spitzbuben nun machen…
Der einzige Unbeteiligte, der das alles weiß, bist du, Nasreddin Chodscha. Du kannst sie vor den Khadi bringen – wenn du sie wiederfindest –, nein, da ist der Mann aus der Tschaikana. Ihn kann man peinlich befragen. Die Männer des Beis werden die Namen aus ihm herausprügeln…
Du wirst nicht zum Khadi gehen, Nasreddin. Vielleicht fängt man die Räderdiebe. Aber dich obendrein als Zugabe. Vielleicht bist du bereits auf der Liste der Vogelfreien. Bei diesem Gedanken blickte sich Nasreddin scheu um. Es war, als kehrte die alte Furcht vor dem Wiederergriffenwerden zurück. Und schließlich: Warum hat jener, dem die Maschine, auf der ich genächtigt habe – Allah möge es ihm vergelten –, gehörte, nicht besser aufgepaßt? Wenn es Diebe gibt – und warum sollte es keine Diebe geben –, muß man wohl damit rechnen, daß gestohlen wird, also muß man sich sichern. Wenn sie es schlau angestellt haben, sollen sie die Frucht ihres Tuns genießen. Nasreddin hob die Arme wie der Vater eines reuigen Sohns, als wollte er sagen: Nun, es ist passiert, aber schließlich, Allah hat es gewollt, und kein Unschuldiger ist zu Schaden gekommen.
Mittlerweile befand sich Nasreddin an der Stelle, an der die Diebe abgebogen waren. In einem zur Fahrbahn hin offenen, langgestreckten Hof stand die Maschine.
Nasreddin überquerte nicht ohne Gefahr die Straße und betrat nach einigem Geschimpfe mit Maschinenlenkern ebenfalls dieses Geviert. Von den Männern war weit und breit nichts zu sehen.
Nasreddin näherte sich ziemlich unbefangen, äugte in die Maschine, stellte nichts Ungewöhnliches fest und sah sich weiter um.
Vor ihm ein schmuckloser, aber großer grauer Hauskasten mit einer breiten Treppe und großen Türen. Links und rechts zogen sich bis zur Straße langgestreckte Häuser zweifach übereinander. Auf einem gepflegten Grasstreifen – Nasreddin spürte am Strick, daß der Esel nicht übel Lust zu einer Verkostung hatte – plätscherte, o Verschwendung, ein munterer Springbrunnen.
Vorn die großen Türen schwangen beinahe unablässig hin und her, ließen Menschen hinein und hinaus. Langsam trat Nasreddin näher.
Er blickte zunächst durch ein Fenster neben der Tür, ein sauberer, aber verhältnismäßig kahler Raum, ein hoher verkleideter Tisch an der Wand, hinter dem eine dickliche junge Frau saß. An der Seite ausgelegt die Waren eines kleinen Basars, auch dort eine Frau.
Ab und an durchschritten Menschen, auch hellhäutige, den Raum, verschwanden in Türen oder stiegen die Treppe hinauf oder hinunter.
Dann lärmte eine Gruppe Fremdländischer an Nasreddin vorbei hinein in das Haus. Samt und sonders trugen sie eckige, wie es schien, ziemlich schwere Behälter, und sie sprachen in einer Sprache, hart und abgehackt, wie er sie noch nie vernommen hatte. Sie stürzten auf den hohen Tisch drin zu, bildeten dort einen Pulk, danach heftiges Gestikulieren; mehr konnte Nasreddin nicht ausmachen.
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