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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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sich nur schwer entschließen, als er bereits alles eingekauft hatte, was er brauchte, den Basar zu verlassen. Er fühlte sich heimisch hier, vielleicht auch deshalb, weil er nicht so viele jener hellhäutigen Fremdlinge traf, vielleicht auch, weil der Anteil an verwirrenden Neuheiten auf diesem Basar verhältnismäßig klein war. Schließlich aber zwang ihn das Eingekaufte selbst, zu seinem Esel zurückzukehren; denn mit der Zeit wußte er nicht mehr, wie er die Früchte, das Brot und den Käse halten sollte.
    Was er gewahrte, was ihm aber nicht weiter ins Bewußtsein drang oder ihn gar beschäftigte: Nicht weit von seinem Esel entfernt stand eine rote, fahrbare Blechhütte, die sich im Aussehen doch von den meisten anderen etwas unterschied. Hinter dem Lenkrad saß eine Frau – warum sollte dort auch keine Frau sitzen? –, die ihm einen Augenblick bekannt vorkam. Aber woher soll ich in diesem neuen Urgentsch eine Frau kennen, nachdem ich erst so kurze Zeit hier bin? Er legte daher mit Bedacht seine Waren in die Körbe, nahm dann eine große Scheibe Melone und brach ein Stück Fladenbrot ab, setzte sich auf eine kleine Brückenmauer und ließ es sich schmecken.
     Es schien, als hätte er in seinem Leben nie köstlicher gespeist, und es mundete ihm noch besser als am Tag vorher an der Straße. Dort hatte er zuviel Unruhe über die veränderte Welt in sich verspürt. Soeben aber hatte er erfahren, daß man sich darin durchaus zurechtfinden konnte, er hatte bekommen, was er brauchte, und er hatte noch Scheinchen und Münzen genug, die er sorgsam aufbewahrt im tiefsten Sack seines Chalats wußte. Zum erstenmal hatte er auch das Gefühl, daß, würde man sie erst besser kennen, man sich in dieser neuen Welt wird wohl fühlen können, wohler als in der alten vielleicht?
    Ob man mir in der Heimat Glauben schenken wird?
     Zum erstenmal dachte Nasreddin daran, daß er hier ja nur als Gast des Gebieters weilte, daß er nach Aksehir gehörte und es wohl sehr viel besser wäre, er würde sich beizeiten dorthin auf den Weg machen. Aber – würde man ihn nicht dort zuerst suchen, wenn man sich daran erinnerte, daß er sich, auf welche Weise auch immer, der Gerechtigkeit entzogen hatte? Schließlich hatte der Chan von Chiwa Einfluß auf den Gebieter, so viel zumindest, daß ihn dieser nicht gehindert hat, mich zu köpfen. Nasreddin seufzte. Er spürte, daß noch Zeit verstreichen mußte, bevor er ganz der alte, der mit Entschlußkraft und großem Tatendrang, sein würde.
    Noch einmal schlenderte Nasreddin über den Basar, nachdem er sich richtig satt gegessen und auch eine Weile geruht hatte. Jetzt beobachtete er nur, tat sehr unbeteiligt, wenn er aufmerksam Gesprächen lauschte, hörte neue Begriffe, versuchte, sich darunter etwas vorzustellen, und oft verstand er dann doch, worum es ging, wenn er nur lange genug zuhören konnte. So gewahrte er, daß das Wort »Maschine« eine große Rolle spielte, daß alles, was da fuhr, so hieß.
     Er betrachtete sich auch die Menschen eingehender. Er stellte Unterschiede fest. In seiner Erinnerung – und jedesmal, wenn er sich auf einer Reise befunden hatte, waren es die Menschen, denen sein uneingeschränktes Interesse galt – nahmen die Usbeken einen besonderen Platz ein, ein Menschenschlag, stolz, gastfreundlich, dem Fremden gegenüber aber zunächst zurückhaltend. Menschen auch von kleinem Wuchs, die Frauen mit mongolischem Augenschnitt – mehr war von ihrem Gesicht im allgemeinen ohnehin nicht zu sehen gewesen –, die Männer, orientalisch patriarchalisch. Jetzt war das offenbar ein Völkergemisch, was man in den Straßen, auf den Basaren traf. Die Fremdländischen erkannte man auf den ersten Blick, sie meinte Nasreddin nicht. Nein, auch die Einheimischen, die man daran erkannte, wie sie einkauften, gekleidet gingen, sich zueinander benahmen oder wie sie sprachen, erschienen ihm als ein Gemisch von Hellhäutigen aus dem Norden und Tataren. Ja, sogar Schlitzäugige gab es unter ihnen. Und einmal, Nasreddin blieb staunend stehen, begegnete ihm eine Gruppe von beinahe schwarzen Menschen. Aber die rechnete er zu den Fremdlingen… Nur noch die Hälfte aller Leute, die er traf, hätte er zu den Usbeken gezählt, wie er sie kannte. Wie nur konnte das alles in der kurzen Zeit geschehen…?
     Oder… An ein Oder wagte Nasreddin gar nicht mehr zu denken, weil er fürchtete, wieder im Dschungel von Unbegreifbarem, Widersprüchlichem und Furcht zu versinken.
    Später nahm Nasreddin den

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