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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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daß Nasreddin einige Schritte zurückwich. Es rüttelte, und aus einem Rohr am Hinterteil drang schwarzer Rauch. Die hinteren Räder warfen Steine und Staub, und in ganz kurzer Zeit war der Karren am Horizont nur noch ein winziger Punkt.
    Zurück blieb ein sehr nachdenklicher Nasreddin, der mit hängenden Schultern dastand, noch lange, nachdem auch der winzige Punkt dort verschwunden, als längst wieder andere Häuser und Hütten, Karren und Fässer, Mann und Esel nicht beachtend, vorbeigerast waren.

Die Räuber

    Es begann bereits, dämmrig zu werden, als Nasreddin am Straßenrand, ein wenig entfernt von dem befestigten Band, auf einen Wagen traf, der herrenlos und leer, offenbar nicht fähig weiterzurollen, dastand. Dieser Wagen schien neu zu sein, er glänzte in den letzten Sonnenstrahlen, und er besaß eine geschlossene derbe Plane. Und unter dieser Plane befand sich ebenfalls nichts, wie Nasreddin, nachdem er sorgfältig mit den Blicken die Umgebung abgesucht hatte, unschwer feststellte.
     Er fühlte sich unsagbar müde und noch immer arg verwirrt. Das Erlebnis mit den zurückgebrachten Scheinchen hatte ihm einen größeren Schock versetzt, als er sich selbst eingestehen wollte. Allah stellt mich auf harte Proben, dachte er oft. Warum nur? Und er sah ein, daß er diese verrückte Welt nicht so schnell begreifen würde, wie er sich das vorgestellt hatte.
     Noch einmal war er an diesem Nachmittag auf einen großen Kischlak getroffen, durch den die Straße direkt hindurchführte. Nur an einem Brunnen hatte er haltgemacht, sich und den Esel gelabt, und er hatte sich gewundert, daß niemand dafür etwas bezahlt haben wollte, war doch Wasser das höchste Gut… Der Brunnen befand sich auf einem Platz, auf dem eine große Anzahl leerer fahrender Hütten herumstand. Und die betrachtete er sich eingehend. Er ritt vorbei an Magazinen mit fremdartigen Waren, deren Zweckbestimmung ihm verschlossen blieb. Große übereinandergestellte Häuser sah er, größer als mancher Palast eines Chans.
    Aber eingedenk seiner Erfahrung und dessen, was er sich vorgenommen hatte, nämlich zunächst wirklich nur noch zu beobachten, kehrte er nirgends ein, sondern sah sich nur alles gründlich an – und verließ den Kischlak, obwohl er sich im klaren war, daß er bald seine Vorräte würde auffrischen müssen.
     Nasreddin hatte sich das Ziel gestellt, zunächst Urgentsch zu erreichen, Urgentsch, das er flüchtig kannte. Ein kleiner Flecken, das neue Urgentsch, nachdem die Menschen das alte aufgeben mußten, weil der Fluß, der Lebenspender, plötzlich seinen Lauf geändert hatte. Dort aber hatte der Chan von Chiwa keine Macht, dort würde man weitersehen. Ein Passant hatte ihm gesagt, die unendliche Straße führe dahin, und es sei so weit nicht mehr, zweimal zehn Kilometer, hatte jener gemeint. Nasreddin hatte »Aha!« gesagt, aber nicht zu fragen gewagt, wie viele Kulasch das wohl sein mochten. Man würde sehen. Jede Straße, und dünke sie noch so endlos, findet ihr Ziel.
    Aber ständig auf diesem Marsch, seit der Karren jenes Mannes seinen Blicken entschwunden war, dachte Nasreddin an dieses Ereignis, an die Tatsache, daß ihm einer sein Geld wiedergebracht, das er bereits für unwiederbringlich verloren gehalten hatte. Das schien unbegreiflich, unwirklich. Wenn dieser Mensch dort das Geld in Empfang genommen und sich aus dem Staub gemacht hätte, niemandem wäre aufgefallen, wenn er es nicht dem Besitzer gebracht, sondern einfach behalten hätte. Und noch nicht einmal Schaden wäre jemandem zugefügt worden, so dachte jedenfalls Nasreddin. Denn der tatsächlich Geschädigte sah die Schuld bei sich; warum, zum Scheitan, habe ich nicht besser aufgepaßt auf das, was mir gehörte, zumal ich weiß, daß es wertvoll ist wie Gold.
     Und Nasreddin ahnte, daß dies wohl dann eine bessere Welt sein müsse, in die er da unversehens geraten war, besser als seine, aus der er kam. Denn darüber wurde er sich immer klarer – oder er hoffte, daß es so sei –, eine andere Welt hatte sich rings um ihn aufgetan, von der er wußte, daß es seine und auch wieder nicht seine war. Er faßte es nicht, aber er vertraute auf Allah, der einen wahrhaft Gläubigen noch nie im Stich gelassen hat, wie man sagt.
     Viel hatte Nasreddin an diesem einen Tag nach seiner merkwürdigen Rettung erfahren, etliches von dem, was er gesehen, hatte das Furchteinflößende verloren. Aber zuviel mußte er in sich aufnehmen, verarbeiten, zuviel für einen einzigen

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