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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Menschen, einen Kopf, zuviel auch, um an diesem Tag noch mehr daraufzutürmen. Ihm schien ohnehin, als surrte es in seinem Schädel, als schwirrte darin ein Schwarm dieser gefräßigen Heuschrecken.
     So empfand er den verlassenen Wagen als Nachtquartier wie. ein Geschenk des Himmels.
     Er trat auf die Straße, auf der der Verkehr sehr nachgelassen hatte, sah nach links und nach rechts. Links, dort wo er herkam, blinkten weit hinten zwei Lichter. Offenbar stand dort eine Fahrhütte, aber das war weit weg. In der Nähe befand sich keine Menschenseele.
    Nasreddin führte den Esel in der Randfurche eines Baumwollfeldes bis zu einer Anhöhe unweit der Straße. Büsche befanden sich dort und saftiges Gras. Das Tier würde hier gegen Sicht von der Straße gedeckt sein und konnte gleichzeitig ordentlich fressen. Er band es sorgfältig fest, aber nur so, daß es sich gut bewegen und nicht im Seil verfangen konnte.
     Dann, sobald er zum Wagen zurückgekehrt war, vergewisserte sich Nasreddin noch einmal, daß sich kein Mensch in der Nähe befand.
     Links, trüber als vorher, so als hätte man den Docht kleiner gedreht, brannten noch immer die zwei Lampen – sicher haben dort, dachte er, andere Nachtquartier bezogen. Sonst bemerkte er in der rasch hereinbrechenden Dunkelheit nichts, was zu irgendwelchen Befürchtungen Anlaß gegeben hätte.
     Nasreddin kroch unter die dichte, dicke Plane des Wagens, empfand die gespeicherte Sonnenwärme gegen die Abendkühle draußen als angenehm.
     Es war stockdunkel. Er verzehrte ohne Hast seine Pirogge, wickelte sich dann in den Chalat und kuschelte sich in eine Ecke, dort, wo er durch ein kleines Fenster in die Fahrerhütte sehen konnte, und von dort drang auch der einzige Lichtschimmer in den Raum.
     In den wenigen Minuten Wachsein, die ihm seine Erschöpfung noch ließ, genoß er die Tatsache, daß es seine erste Nacht sein würde, die er wieder außerhalb des feuchten Kerkers und ohne diese schreckliche Todesfurcht im Nacken verbringen konnte. Und der Bretterboden des Wagens deuchte ihm wie die Daunen eines Prinzessinnenbettes.

    Nur ganz langsam wurde Nasreddin munter, fast so wie am Morgen auf dem Basar in Chiwa. Gewiß war er sich – mit dem Gespür des erfahrenen Wanderers –, daß ihn etwas aus seinem Schlaf gerissen haben mußte, ein Laut, der nicht zum Umfeld dieser Landschaft gehörte, kein Rauschen des Windes also, weder ein Vogelschrei noch das Rascheln einer Eidechse oder Schlange.
     Nasreddin saß hellwach, wie verflogen war die vordem bleierne Müdigkeit. Er lauschte.
     Da schien ihm, als atmete jemand schwer. Und dann ganz deutlich: ein Geraune in jener oft gehörten fremden Sprache. Kein Zweifel, irgendwelche Leute machten sich an dem Wagen zu schaffen. Na, die natürlich, denen er gehört!
     Nachts und mit Geraune? In Nasreddin erwachte äußerstes Mißtrauen. Zu viele Spitzbuben hatte er im Lauf seines Lebens kennengelernt, und er konnte unterscheiden, ob irgend etwas rechtens war oder nicht. Hier geschah Unrechtes!
     Plötzlich, Nasreddin fuhr zusammen, ein metallisches Klirren, so als stießen zwei Schwerter ineinander, und er wußte sofort, daß es ein solches Geräusch war, das ihn aus dem Schlaf gerissen hatte.
     Vorsichtig schob Nasreddin sich hoch, blickte durch das Fenster zur Fahrerhütte. Durch die durchsichtigen Häute sah er Sterne und die Rahmen des Fensters nur als Schatten. Er rutschte zu der Seite, von der er das Geräusch vernommen hatte, lauschte zwischendurch, aber die, die sich da zu schaffen machten, gaben keine besondere Obacht, fühlten sich ihrer Sache offenbar sicher.
    Nasreddin drückte behutsam die Plane weg und blickte nach unten, sah direkt in ein schweißnasses Gesicht, das im gelben Licht eines gebündelten Lichtstrahls lag. Wieder klang die Stimme auf, unwillig, und Nasreddin gewahrte, daß der Sprecher, der Angeleuchtete, vorn im Gebiß neben einer Zahnlücke einen Zahn aus Gold hatte!
     Der Lichtfleck wanderte, Nasreddin sah auf schmutzige, aber geschickte Hände, die ein kreuzförmiges Werkzeug hielten und dieses drehten. Mehrmals wurde neu angesetzt, wo, konnte man nicht sehen, da sich das Hantieren zu nahe an der Wand des Wagens vollzog, aber es mußte in der Nähe eines dieser wulstigen Räder sein.
     In der Tat. Nach kurzer Zeit erfaßte das Licht ein Rad, das zwei Hände aufrecht dirigierten, es dann in der Nähe hinfallen ließen. Es gab einen dumpfen Laut.
     Hätte Nasreddin noch gezweifelt, daß die beiden

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