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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Aber aus allem schloß er: Das ist eine Karawanserei, eine Herberge, eine merkwürdige zwar, denn nirgends war auch nur ein Kamel zu erblicken, aber die Menschen, nachdem sie eine Weile an dem Tisch zugebracht und von der phlegmatischen Frau etwas bekommen oder ihr etwas gegeben hatten, stiegen mit einem Schlüssel in der Hand die Treppe hinauf…
    Schließlich faßte Nasreddin Mut. Als erneut zwei Menschen durch die Tür schritten, schloß er sich an. Und bevor die Flügel zuschwangen, hatte er sich in die Halle geschlängelt. An dem Tisch standen noch einige Leute, unschlüssig stellte er sich dazu. Nach ihm kam ein Mann, der sah an ihm hinunter, stand dann mit gleichgültigem Gesicht, das feist und gebräunt war. Unauffällig bewegte sich Nasreddin so, daß jener vor ihm in die Reihe kam. Der andere nahm das wie selbstverständlich auf.
     Schließlich aber sah Nasreddin sich allein der rundlichen Frau hinter dem Tisch gegenüber. Sie hatte Pausbacken, lustige kleine Augen, war aber eine Weißhäutige. Viel Henna hatte sie auf die Lippen gestrichen, und grüne Lider hatte sie.
     Ohne ihn richtig anzuschauen, so als sei ihr dieser Tag bislang sehr sauer angekommen, fragte sie, ein wenig herablassend: »Was wollen Sie?«
     Ja, was wollte er. Nasreddin faßte sich schnell. »Übernachten in dieser Herberge – und einen Stallplatz für meinen Esel.«
     Sie runzelte die Stirn, schlug von unten her die Augen auf, Verwunderung, Ärger und Spott gleichzeitig im Blick. »Soso«, sagte sie gedehnt. »Bist wohl mit dem Esel auf Dienstreise, Onkelchen?«
     Als Nasreddin sie verständnislos anblickte, fuhr sie fort: »Zeigen Sie mir bitte Ihren Dienstauftrag, den Einreisepropusk und das Personaldokument.«
     Nasreddin bekam große Augen. Da fiel ihm ein: Der Wesir des Gebieters hatte ihm ein Petschaft überreicht, das ihn legitimierte. Er begann also, in seinen Taschen und eingenähten Säcken zu kramen. Mit unbeweglicher Miene, aber, die trommelnden Finger auf der Tischplatte zeugten davon, wachsender Ungeduld sah ihm die Frau zu.
    Nasreddin fielen die Papierchen in die Hände, die er in seinem Chalat vorgefunden hatte. Gleichgültig legte er sie auf den Tisch, damit sie ihn beim Weitersuchen nicht behinderten. Aber sein Wühlen in den Taschen verlor an Intensität. Es waren nicht seine Kleider, die er anhatte. Das letzte, an was er sich erinnerte, war jener Sack, in dem man ihn zur Hinrichtung führte. Er hatte also nicht die geringste Hoffnung, das Petschaft zu entdecken, erstarrte dann aber beinahe, als er in der letzten Tasche der Hose etwas Plattes, Hartes erfühlte. Wenig später förderte er tatsächlich das Gesuchte ans Licht, und triumphierend klatschte er es mit der flachen Hand der Frau auf den Tisch, überzeugt, daß sie nun ehrfürchtig seinen Wünschen nachkommen würde. Wer schon besaß ein Petschaft des Gebieters? – Und, Nasreddin, was hat es dir genützt? Den Kopf wollte man dir trotzdem abschlagen. Der Chan von Chiwa, nicht der Gebieter. Vielleicht hat er davon gar nichts erfahren? Einen Augenblick dachte er auch daran, wie wohl der Ausweis in die Tasche dieser Hose geraten sein mochte. Aber der andere Gedanke faszinierte ihn mehr. Es war ein Übergriff des Untergebenen, des Chans! Hätte ich nur Gelegenheit gehabt, Timurlenk zu benachrichtigen! Ha, vielleicht hätte man ihn, den Chan, gerichtet statt meiner! Nasreddin fühlte sich geneigt, nun, da er das Petschaft wiedergefunden hatte, das. Tür und Tor zu öffnen vermochte, hochachtungsvoller an den Herrscher zu denken, als er das zeitweise am ersten Tag der wundersamen Rettung getan hatte.
     Als er sich jedoch dem Gebaren der Frau widmete, verstand er nicht sofort. Sie hielt sein Papier in spitzen Fingern, deren Nägel überdies in einem violetten, aber abgeblätterten Rot wie die Schale eines gefetteten Granatapfels leuchteten, beachtete auch das Siegel nicht im mindesten. Mißbilligend hatte sie aufgesehen, als er es ihr so aufdringlich hingeklatscht hatte.
     Sie erkennt es nicht. »Sieh dir das an, Nichtsnutzige!« Er sagte es jedoch in einem sehr versöhnlichen Ton, und sie reagierte nicht.
    Nasreddin ließ die Münze auf dem Tisch klappern. Da schob sie sie mit der flachen Hand beiseite, ohne aufzusehen. Aber sie murmelte: »Seien Sie nicht albern, Bürger.« Dann nahm sie die Papiere herab, die sie mit zu Fäusten geballten Händen hüben und drüben hielt, ohne sie loszulassen, und sagte in einem unnachahmlichen Ton, teils verächtlich,

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