Der Geist des Nasredin Effendi
teils erhaben: »Ein provisorischer Propusk und eine Aufenthaltsgenehmigung, das ist wohl alles, was du bieten kannst. Keine Arbeitsbescheinigung, keinen Dienstauftrag. Es ist kein Zimmer frei, Bürger!«
»Ha!« Nasreddin hatte das Petschaft am Lederriemen gefaßt, zog es zu sich heran und ließ es der zunächst leicht verdutzten vor dem Gesicht baumeln. »Du wirst eins finden, Töchterchen!«
Sie ließ das Papier los, drückte Nasreddins Arm mitsamt dem Petschaft unverhofft auf die Tischplatte, sah ihn mit schief gehaltenem Kopf von unten her an und sagte ruhig: »Den Teufel werde ich. Und ich sage dir eins, du Eselstreiber, wenn du nicht gleich verschwindest, hole ich die Miliz. Du treibst dich rum, was, und ich muß am Sonntag in die Baumwolle, am Sonntag, verstehst du, an dem der Sohn meines Onkels heiratet.« Lauter wurde sie nicht, aber ihre Sprache nahm Ähnlichkeit mit dem Zischen einer Schlange an.
Nasreddin unternahm einen letzten Versuch. »Weißt du nicht, was das ist, du mit Blindheit Geschlagene? Ich werde sie holen, die Häscher des Emirs von Urgentsch, sie werden dich Ehrfurcht lehren. Es ist das Siegel vom Erhabenen selbst. Nur seine besten Freunde erhalten es. Also, gib das Zimmer schon heraus!«
Sie warf nur einen kurzen Blick auf das Siegel, tippte sich an die Stirn, sagte in normalem Ton und so, als spräche sie wie zu sich: »Mach, daß du rauskommst, Verrückter!« Aber sie schloß den Schrei »Mascha!« so laut und schrill und beinahe übergangslos an, daß Nasreddin zusammenfuhr und ein Mann, der in einer entfernten Ecke in einem Sessel saß, erstaunt ein großes Stück Pergament, in dem er gelesen hatte, sinken ließ.
Aus einem Korridor, der links in die Halle mündete, näherten sich rasche Schritte. Ein mächtiges Weib rückte heran, in einen weißen Kittel gehüllt, ein ebensolches Tuch um den Kopf geschlungen, einen Haarknoten im Nacken.
Mascha fragte nicht, sah, schien offenbar gewohnheitsmäßig im Bilde zu sein, vermutlich gab ihr die Art, wie sie gerufen wurde, einen Auftrag. Sie faßte Nasreddin hinten am Chalat, sagte beruhigend: »Na, komm, Väterchen, mach keine Schwierigkeiten.« Und sie schob den nicht Widerstrebenden zur Tür.
Nasreddin, der sich sehr wohl in der Lage gefühlt hätte, auch mit diesem kräftigen Frauenzimmer fertig zu werden, fühlte sich ein wenig benommen. Der Angriff war zu überraschend und auf eine Art gekommen, die ihn wehrlos machte. Wer würde sich in der Öffentlichkeit an einem Weib vergreifen! Entweder sie wird verurteilt, und es wird zum Volksfest, sie zum Beispiel einzugraben und zu steinigen, oder man prügelt sie zu Hause ganz für sich ordentlich durch. Nasreddin hatte seine Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als er sich bereits draußen vor der Tür wiederfand. Von Mascha sah er durch die Fenster nur den breiten Rücken, und ihm schien, als klopfte sie sich die Hände ab, indem sie sie gegeneinanderschlug, so als befreite man sie von Erdkrumen oder Mehl. Die andere am Tisch blätterte gleichgültig in irgendwelchen Papieren. Sagte dann aber etwas zu Mascha. Mascha schwenkte zu ihr ein, raffte etwas auf, näherte sich erneut der Tür, warf Nasreddins Papiere hinaus und lächelte dem immer noch recht Verdatterten mit einem freundlichen Kopfnicken zu, bevor sie abermals verschwand.
Entnervt hob Nasreddin die rechte Hand, ließ das Petschaft nun vor seinem Gesicht baumeln, schüttelte den Kopf und seufzte. Den erneut einfließenden Gedanken, daß er die Welt nicht mehr verstünde, ließ er nicht aufkommen. Er bückte sich und raffte das zusammen, was Mascha als seine Papiere bezeichnet hatte. Und er fühlte, daß es wohl besser sei, sie mitzunehmen. Ohne Bedeutung schienen sie nicht zu sein.
Wieder einmal sehr nachdenklich, wandte er sich zum Gehen. Zu allem Überfluß empfing ihn der Esel mit einem kräftigen »Iah!«, was für Nasreddin Grund genug war, dem Frechen einen sachten Tritt an die Hinterhand zu geben. Kurz darauf tätschelte er aber den Hals des Tiers, dann, als er den Ullr in seiner Hand wahrnahm, hielt er diesen dem Esel vors Gesicht. »Knie nieder, Unwürdiger«, zischelte er. »Knie, bezeuge deinem Gebieter, dem Erhabenen, die geschuldete Ehrfurcht, du Hund von einem Esel!«
Der Esel ließ den Kopf hängen, scharrte.
In einem Anfall von Entsagung und Ärger schleuderte Nasreddin das unnütze Petschaft in den Sand, hob es jedoch wenige Augenblicke später wieder auf, pustete den Schmutz ab und ließ es
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