Der Geist des Nasredin Effendi
wieder in die nämliche Tasche sinken. Man kann nie wissen! »Also, Esel«, sagte er dann resignierend, »werden wir uns bald ein anderes Nachtlager suchen. Bist du von Samarkand nach Chiwa gereist, in keiner Karawanserei hast du ein, was hat sie gesagt, Propusk gebraucht. Heute, nachdem Allah es zugelassen hat, daß der Gebieter, der Herr sei seinem Geist gnädig, die Welt auf den Kopf gestellt hat – Allah akbar! –, tja. Wir werden sehen, ob wir abermals eine Hütte finden. Du siehst, den Untertanen Timurs geht es gut, sie fahren in Hütten, leben in steinernen Häusern… Es ist eben nicht alles beisammen.« Nasreddin seufzte, aber niedergeschlagen fühlte er sich nicht. Wie oft hatte er auf den Wanderungen im Freien übernachtet. Aber wenn schon die Bäuerinnen wie die Prinzessinnen gekleidet laufen…
Nasreddin setzte sich seitlich auf die Treppe. Es wurde zunehmend dämmrig. Er verspürte Hunger und begann genüßlich zu Abend zu speisen. Ab und an traten Leute aus der Tür oder gingen ins Haus. Nur wenige nahmen von dem Mann Notiz. Und wenn ihn ein Blick traf, dann höchstens einer, der freundlich-gleichgültig war.
Nur einmal sah er in aufmerksame Augen. Eine schwarzhaarige Frau betrat die Stufen gemessenen Schritts, verhielt einen winzigen Augenblick. In der Sekunde, in der die Blicke sich trafen, hielt sie ein Täschchen in der Höhe ihres Gesichts, so daß Nasreddin nur diese Augen sah. Flüchtig kam es ihm vor, als hätte er die Frau bereits einmal gesehen. Das Licht, das vom Inneren des Hauses auf ihr Gesicht fiel, verriet eine gebräunte Haut und eine hohe Stirn. Dann stieß sie lässig die Tür auf und ging drin auf den Tisch zu, hinter dem sich nunmehr eine dürre blonde Frau aufhielt. Mit dieser sprach die Angekommene.
Nasreddin strich sich den Bart, sah an sich herunter. Und in ebendiesem Licht gewahrte er, daß sein Chalat in den zwei Tagen der Wanderung doch ein wenig gelitten hatte. Na, na, dachte er, ein einziger, wie es schien, interessierter Blick, und du bildest dir bereits etwas ein. Nun aber, ein stattlicher Mann in den besten Jahren bist du. Und er spürte abermals die Lebensfreude in sich, im Gegensatz zur überstandenen Gefahr.
Lange saß Nasreddin, hörte auf den Abendgesang der Vögel, blickte roten, gelben und stechend weißen Lichtern nach, die vorn auf der Straße hin und her schwirrten, schaute auf Beine und Körper der nahe an ihm Vorübergehenden. Sterne blinkten über ihm aus einem kohlschwarzen Himmel. Einmal war da ein Brummen, und eine seltsame Erscheinung zog über den Himmel. Ein roter und ein grüner Stern, im gleichbleibenden Takt abwechselnd verlöschend und erstrahlend, fuhren eine stetige Bahn.
Nasreddin verfolgte sie mit dem Blick, bis ihm die Dachkante des linken Hausflügels die Sicht nahm. Er wunderte sich über dieses neuerliche Phänomen nicht, überhaupt, wieder einmal war ihm, als sei das alles nicht wirklich, als träumte er. Er fühlte sich satt und glücklich in einer im Grunde freundlichen, aber unfaßlichen Welt. Vielleicht bin ich doch tot, in Allahs Reich, einem Reich, das der Prophet, als er es den Menschen pries, wohl auch noch nicht persönlich gekannt haben mochte, denn einiges sollte es wohl in Gottes Gefilden nicht mehr geben, wie er gesagt hat. Daß sich die Seelen gegenseitig bestehlen oder beschimpfen, daß sie ausgelacht werden oder – keine Herberge bekommen. Niemand hat prophezeit, daß man für den Himmel ein Propusk benötigt. Aber was schon schadet das? Im Grunde genommen kannst du von Glück reden, Nasreddin Chodscha, daß du nicht in der Dschehannam gelandet bist und nun beim Scheitan brätst, denn, betrachtet man es nüchtern, stets hast du dich nicht gottgefällig verhalten, Nasreddin. Bist du in seinem Reich, hat er dich wohl in seiner unendlichen Gnade aufgenommen. Oder ist dieses Unvollkom mene etwa nur eine Vorstufe, werden hier die Menschen auf ihre Himmelstauglichkeit geprüft? Und je nachdem, wie diese Prüfung ausfällt, geht es von hier in den echten Himmel oder doch noch in die Hölle?
So etwas sollte man natürlich wissen! Oder liegt gerade die Absicht darin, daß man es nicht weiß? Aha! Auf diesem Weg soll der Mensch entscheiden, ob er sich zum Guten kehren oder ob er im Alten verhaftet bleiben will. Und Allah wirbt um uns, indem er uns bereits heute einen Teil seines Paradieses eröffnet, ja, so könnte es sein.
Nasreddin stieß zufrieden auf. Ich jedenfalls werde alles tun, um mich dem noch Besseren
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