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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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würdig zu erweisen. Und er war ganz froh darüber, daß er sich vorhin mit der Dame an dem Tisch nicht in einen Streit eingelassen und sich nicht gegen die Mascha zur Wehr gesetzt hatte. Wer weiß, was für eine Prüfung dies war…
     Nasreddin döste vor sich hin, fühlte sich wohl, weil er sich satt gegessen hatte und weil er glaubte, endlich das Gebäude gefunden zu haben, in das er sich und die Welt um sich her einordnen konnte. So lasse ich mir das Totsein gefallen, dachte er noch, als er jäh aus seinem Überlegen gerissen wurde.
     Die Tür flog heftig auf, ein Körper strauchelte die Treppe hinunter, ein Armerudern, ein unartikulierter Laut, und er landete rasselnd kopfüber in einem stachligen Wacholderstrauch.
    Nasreddin sah zur Halle, erblickte den wohlbekannten Rücken Maschas, ihr unvergleichliches Händeaneinanderschlagen. Neben Mascha aber schritt ein kleiner, breiter Mann, dem der Kopf ohne Hals scheinbar direkt aus den wulstigen Schul tern sproß. Schwappend pendelte die Tür. Weiter aber geschah nichts.
     Nasreddin saß, sah hinunter auf den Mann, der sich zunächst nicht rührte, wenig später jedoch unendlich langsam zur Seite drehte, der ein Bein anwinkelte, wieder zusammenfiel und dann – Nasreddin glaubte seinen Ohren nicht zu trauen – in ein leichtes, wohliges Schnarchen verfiel. Die Arme hielt er dabei um den pikenden Strauch geschlungen, als sei der das Kissen des daunigsten Himmelsbetts.
     Nasreddin benötigte eine ganze Weile, um sich zu einem Entschluß durchzuringen. Wenn jener schnarchte, war ihm offensichtlich nichts passiert. Wahrscheinlich hatten sie in der Herberge wirklich kein Zimmer mehr frei, und man hat es ihm, der es vielleicht nicht glauben wollte, ein wenig handgreiflich bewiesen. Nun ja. Aber wie kann einer da nach wenigen Minuten genüßlich einschlafen? Und an so einem Weg, auf dem fast ständig – wie jetzt – Menschen hin und her laufen?
    Eine Gruppe näherte sich der Herberge. Erst spät entdeckte einer den Mann, der eins zu sein schien mit dem Busch, den er wie liebevoll umschlang. Nur wenig Licht fiel aus der Halle auf den hingestreckten Körper. Die Leute machten einen Bogen um den Daliegenden. Nasreddin verstand nicht, was sie ausriefen, aber der Ton, die Gesichter sagten ihm, daß es Verächtliches war, daß sie sich in irgendeiner Weise ekelten. Dann verstand er das Wort »Miliz«, erinnerte sich, daß es jene da drin auch gebraucht hatte, und ihm schien, daß damit eine Drohung verbunden war.
     Als die Leute im Haus verschwunden waren, näherte sich Nasreddin dem Schlafenden, beugte sich zu ihm hinunter, rüttelte ihn sacht an der Schulter und rief leise: »He, Onkelchen, wach auf!«
     Der Mann lallte etwas Unverständliches, kam jedoch Nasreddins Aufforderung in keiner Weise nach.
     Nasreddin packte ihn an den Schultern, hob ihn, der sicher seine achtzig Kilogramm wog, an, dabei geriet dessen Gesicht in den Lichtschein. Nasreddin pfiff durch die Zähne. Es war ohne Zweifel der eine von den beiden, die die Räder stibitzt und an den Mann in der Tschaikana verkauft hatten. Unter Hunderten würde er dieses Gebiß und die Höckernase herausgefunden haben. Der Mann nämlich hatte den Mund halb geöffnet, und ein wenig Speichel lief ihm über das Gesicht.
     Obwohl Nasreddin kräftig Zugriff, wurde jener nur ungenügend wach, so daß Nasreddin ihn gleichsam zu der Treppe schleifte, ihn sitzend an einen Pfeiler lehnte und dann durch Rütteln und gutes Zureden weiter zu ermuntern versuchte.
     Plötzlich sagte jemand in einem kaum verständlichen Dialekt: »Hallo, ihr zwei, gehört euch das?« Ein kleiner alter Mann trat auf sie zu und hielt einen flachen schwarzen Gegenstand in der Hand, hielt ihn weit ausgestreckt Nasreddin entgegen. »Es lag dort«, sagte er und wies zum Wacholderbusch.
    Nasreddin nickte und nahm die lederne Hülle entgegen.
    Der Alte in einem ziemlich prächtigen Chalat und einer gestickten Tjubeteika zog die Luft tief in die Nase. »Ihr Nichtswürdigen«, sagte er erhaben. »Wenn ihr das Saufen schon nicht vertragt, paßt wenigstens auf eure Sachen auf!« Sagte es, drehte sich abrupt um und ging mit großen Schritten davon.
     Jetzt roch Nasreddin es ebenfalls. Der Mann neben ihm stank förmlich nach kaltem üblem Rauch und nach dem Geist des Weins, den Allah verflucht hatte. Und wie recht der Erhabene behielt, pfui Teufel! Nasreddin spuckte ins Gebüsch.
     Vorn an der Straße verhielten die Scheinwerfer einer Maschine. Langsam hob

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