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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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sie sich dann über die Steinfassung der Straße und kroch näher. Die beiden Männer auf der Treppe gerieten in starkes Licht.
     Dann ahnte Nasreddin mehr, als daß er es sah, daß zwei Männer ausstiegen. Erst als jene aus dem Lichtschein heraus und auf die Treppe traten, bemerkte man, daß sie Stiefel und stattliche Uniformen mit eigenartigen, hochgewölbten Mützen trugen. Nasreddin erinnerte sich, gelegentlich in den Straßen ähnliche Personen gesehen zu haben.
     Der eine trat näher und sagte barsch: »Na, ihr zwei!« Der andere klingelte, worauf die schmächtige Blonde im Laufschritt durch die Halle eilte.
    »Die beiden?« fragte der, der geklingelt hatte, und wies auf den bereits wieder Schlafenden und mit ausgestreckten Beinen Dasitzenden sowie auf Nasreddin, der unterwürfig dastand, eine Hand mit dem schwarzen Leder im Chalat verborgen. Zweifelsohne waren das zwei Männer von der Miliz, also Häscher des örtlichen Gebieters. Verteufelt schnell sind die, dachte Nasreddin, und zu spaßen ist mit ihnen bestimmt nicht. Längst war ihm das Herz in die Hose gerutscht. Ade, Freiheit, ade, Leben. Sie wissen längst, daß der Chan mich sucht… Hast du nicht geglaubt, du bist bereits tot? Und die beiden, eine erneute Probe Allahs? Nasreddins Gedanken gingen wirr.
     »Nein, nein«, antwortete da die Frau, »nur der.« Und sie wies nachdrücklich auf den friedlich Schnarchenden, dessen goldener Zahn im halboffenen Mund und in dem Licht der Scheinwerfer ordentlich funkelte.
     »Charascho«, sagte der eine von der Miliz. »Dann wollen wir!«
     Sie packten den schwach Protestierenden unter den Achseln und an den Füßen, schleppten ihn zu ihrer Maschine, einer kommandierte: »Eins, zwei, drei!«, dabei setzten sie den Mann in Schwung, ließen ihn bei »drei« gleichzeitig los, und er polterte auf die kleine Ladefläche. Undeutlich in der Dunkelheit sah Nasreddin, daß die Füße über die Bordwand hinausragten.
    »Und frech ist er auch noch geworden«, rief die Blonde.
    »Zu dir?« fragte der Kleinere.
    »Nein, nicht zu mir, ich hätt’s ihm schon gegeben…«
     »Na, na!« Er musterte sie von oben bis unten, und Nasreddin war sich ziemlich sicher, daß die beiden sich kannten. Dann jedoch gab der von der Miliz den Frotzelton auf und fügte hinzu: »Bis morgen früh hat er Zeit, sich auszunüchtern, und teuer kommt es ihn auch zu stehen. Ich wünsche dir weiterhin friedliche Gäste, Natascha.«
     Er stieg zu seinem Kollegen in die Maschine. Diese heulte auf, bewegte sich rasch rückwärts, der Straße zu, und verschwand.
    »Geh nach Hause, Onkel«, sagte jene Natascha und legte Nasreddin sacht eine Hand auf den Arm.
     Nasreddin nickte, zog die Hand mit der Hülle aus dem Chalat, hielt sie ihr hilflos hin.
     Sie verstand die Geste nicht. »Geh nach Hause, es ist spät«, sagte sie erneut, nickte ihm zu und verschwand im Haus.
     Langsam fand Nasreddin zu sich. Lange sah er auf die Hülle in seiner Hand, klappte sie dann auf. Fein säuberlich, einer über dem anderen und glatt lagen darin gleichartige Scheinchen, ein ziemlich dickes Bündel. Und es mußte Nasreddin niemand sagen: Das waren die Scheinchen, die der Zahnlückige gegen die Räder getauscht hatte, der Erlös des Diebesgutes. Nasreddin pfiff durch die Zähne. Er sah sich um. Niemand hatte ihn beobachtet. Unauffällig band er den Esel ab, blickte noch einmal in die Runde. Am Tisch in der Halle sah er die Frau, die ihm den langen Blick zugeworfen hatte, aber jetzt blätterte sie in einem Papier, und jetzt dachte Nasreddin an anderes.
     Langsam erst, dann schneller werdend, zog er mit dem Esel auf die Straße und schlug auf dem breiten Gehweg die Richtung ein, die vom Zentrum hinwegführte.
    Nach einiger Zeit wurden die Häuser weniger, Bäume und Sträucher nahmen zu. Maschinen waren links und rechts abgebogen, so daß ihr Strom in der Richtung, in die er marschierte, recht dünn geworden war. Als am Stadtrand ein Seitenweg auf die Straße mündete, bog er in diesen ein, ging so weit, daß er den Lärm einzelner Maschinen nur noch gedämpft vernahm, nötigte dann den Esel, sich hinter einem Gebüsch zu lagern, wickelte den Chalat eng um sich, kuschelte sich mit dem Rücken an das Tier und war bald zufrieden eingeschlafen. –
    Der Morgen sah Nasreddin schon frühzeitig auf der Straße, die von Urgentsch hinwegführte, wohin, wußte er nicht zu sagen.
     Aber je weiter er zog, desto lustloser wurde er, nachdenklich und voller Gewissensbisse. Der

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