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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Baumwolle machte das aus! Und er, im schäbigen Chalat, auf einem, zugegeben, guten und gelehrigen, vor allem gehorsamen Esel. Aber, und das ernüchterte Nasreddin wieder, sie hat ja nicht die geringsten Anstalten in dieser Richtung gemacht. Vielleicht wartet sie nur auf eine Gelegenheit? Sah das vorhin nicht genau danach aus, hatte der Brigadier mit seinen Witzen vielleicht sogar recht?
     »Hier, einfach so abzupfen, die reifen. Darauf achten, daß Sie sie ganz erwischen und nicht zerzausen. So…«
     Erst mitten in der Rede gewahrte Nasreddin, daß mit der Erläuterung des Baumwollpflückens er angesprochen war. Der Direktor der Schule neben ihm, sicher selbst ein Angelernter, gab eifrig sein vielleicht vor Stunden erworbenes Wissen weiter; ein Lehrer eben, dachte Nasreddin.
     »Aber sicher sind Sie kein Neuling. Wo unterrichten Sie und welches Fach?« Wie er fragte, machte deutlich, daß es selbstverständlich nur eine sehr unbedeutende Schule, viel unbedeutender als die eigene, sein konnte, an der ein Chodscha wie dieser Nasreddin unterrichten konnte.

    Nasreddin begann zu zupfen, und er stellte sogleich fest, daß es einfacher aussah, als es sich anließ. Die bizarren Sträucher kratzten die Haut, und nicht nur die Kleidung, auch der umgehängte Sack verhedderten sich laufend, und man mußte mit

Fingern und Armen eine Gelenkigkeit entfalten, die es bestimmt zu erlernen galt, die nicht angeboren war.
     Bei alldem versuchte er sich auf die Frage des Nebenrupfers zu konzentrieren und darauf, eine solche Antwort zu finden, die nicht sogleich wieder seine Kluft zu diesem Dasein offenbarte. »An keiner Schule«, sagte er zurückhaltend, »die Leute schicken die Kinder zu mir.« So, das konnte nicht falsch sein.
     »Ach so, eine Art Privatlehrer also. Ich habe nicht geahnt, daß so etwas noch möglich ist. Das machen Sie nebenbei.«
    »Nebenbei«, murmelte Nasreddin.
    »Aber Rentner sind Sie doch wohl noch nicht, Invalidenrentner?«
     »Ja, doch, In-invalidenrentner.« Nasreddin geriet ins Schwitzen, der ungewohnten Tätigkeit und der Bedrängnis wegen. Ein krauses Zeug, was der da fragt. Er war ganz froh darüber, daß der andere, flinker als er selbst mit der Baumwolle, ihm bereits um etliches voraus war und daß dieser Abstand mit Sicherheit zunehmen würde. Aber da: Der Direktor griff mehr und mehr in Nasreddins Reihe, nahm Bausch auf Bausch weg, so daß Nasreddin rascher vorankam. Im Grunde ein schöner Zug, dachte der, aber zufrieden war er damit nicht.
     Dann wechselte der Direktor das Thema. Vielleicht hatte er sich überzeugt, daß dieser Eselsreiter für ihn nicht der rechte Fachgesprächspartner war. Er begann, als es nun sehr offensichtlich wurde, daß diesem auch das Baumwollpflücken nicht flott von der Hand ging, ihm einige Tricks zu zeigen, sprach davon, daß er eigentlich gern dann und wann in die Baumwolle gehe…
     »Auch wenn Sie nicht müßten?« rief die mit hundert Zöpfen, die den Disput offenbar verfolgte, weil er, des Abstandes zwischen den beiden Männern wegen, recht laut geführt wurde.
     »Na freilich, man hat ja schließlich ein Bewußtsein, weiß, worauf es ankommt!«
     … man lerne dabei eine Menge Leute kennen, verliere nicht den Kontakt zur Basis, was gerade als Lehrer sehr wichtig sei, na, und das Geld sei schließlich auch nicht zu verachten, auch wenn man für den Sack nur zehn Kopeken erhalte, weil ja das Gehalt weiterlaufe. Und schließlich sei ja die ganze Republik in der Baumwolle…
    Nasreddin fragte zögernd, und da nun jedermann wußte, daß er keine Pflückerfahrung hatte, glaubte er, daß ihm diese Frage niemand verübeln würde, selbst wenn sie noch so dümmlich sei: »Warum können das nicht alles die blauen Elefanten machen?«
     »Erstens gibt es noch zuwenig, und zweitens, Sie sehen, daß hier längst nicht mehr so viel zu ernten ist wie beispielsweise dort drüben.« Der Direktor richtete sich auf, dehnte das schmerzende Kreuz und wies nach links. »Hier sind die – Elefanten schon gewesen. Doch leider, da ist eine noch ganz und gar geschlossene Kapsel und dort sogar noch eine Blüte. Sie gehen bedauerlicherweise nicht alle auf einmal auf, da muß oft mehrmals nachgelesen werden. Das lohnt sich für die Maschinen nicht mehr. Den Wissenschaftlern muß eben noch viel einfallen.« Aber mißtrauisch schien ihn die Frage doch gemacht zu haben, denn er fragte weiter: »Sagen Sie, Aksehir, das war doch der Ort, aus dem Sie kommen, gibt es da keine Baumwolle,

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