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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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der Chodscha, zu Hause ist«, spottete die mit den hundert Zöpfen. »Sie sind doch der Nasreddin, Onkelchen, nicht wahr, das habe ich doch richtig verstanden?«
     Nasreddin sah nicht ihr Gesicht, das sie augenzwinkernd von ihm abgewandt hatte.
     »Laß das, Sewara – packen wir zusammen, Zeit zum Weitermachen. Gebt Nasreddin einen leeren Sack. Und warum nicht, die Lehrer sollen ihn in die Mitte nehmen«, sagte Chladkow.
     »Ja, der bin ich!« Nasreddin beantwortete die Frage, die jene Sewara völlig unernst gestellt hatte, nicht ohne Stolz.
    »Mußt uns mehr von dir daheim erzählen heute abend, ja?« Sie strahlte ihn an, daß ihm ganz weich zumute wurde. Einige in der Runde lachten wieder. »Jetzt müssen wir, hast es ja gehört, die armen Teufel haben nur Sinn für die Baumwolle, kein bißchen für Kultur und die Historie. Sie sind, Onkel, scheint’s mir, ein anderer Kerl. Viel übrig für Humor, was?« Und sie zwinkerte ihm aufmunternd zu, kroch in den Gurt des Tragesacks, der die Bluse spannte, als wollte sie unter der inneren Fülle bersten, und stiefelte ins Feld.
     »Kommen Sie hierher, Bürger Nasreddin«, rief jener, der vorhin als Direktor der Schule bezeichnet wurde. Er übernahm vom Brigadier einen Pflücksack, hängte diesen Nasreddin um, erläuterte, wie man nun mit beiden Händen pflücken könne, eine Neuerung, die dieser verbesserte Umhängegurt ermögliche, und sie gingen nebeneinander ins Feld, nachdem Nasreddin noch den Esel an die Deichsel des Wagens gebunden hatte.
     Sie waren schon etliche Schritte gegangen, als sich hinter einer roten Maschine vom Hügel her eine Staubwolke näherte. Das Fahrzeug verlangsamte seine Fahrt, hielt vorn am Wagen, in der Nähe des Esels.
     Einige der Leute verhielten den Schritt, erwarteten, daß nun etwas einträte, daß einer geholt würde, weil seine Frau ein Baby bekäme oder die individuelle Kuh verquer kalbte, daß man dem Brigadier im Gebietskomitee die Ohren auf Zimmerlänge ziehen wollte, weil der Plan… Na, eben so etwas oder ähnliches erwartete man, und es flogen bereits so geartete Bemerkungen hin und her, weil sich vorn am Weg zunächst gar nichts tat. Dann auf einmal stieß das Fahrzeug zurück, wendete und fuhr in langsamerem Tempo wieder dem Hügel zu, hinter dem es verschwand.
    »Ihr Typ war offenbar nicht dabei«, schrie der Brigadier und freute sich. Er befand sich von allen dem Weg am nächsten. »Wie die gebaut war, und wenn ich uns so ansehe, ich kann es ihr nicht verdenken, daß sie kehrtgemacht hat.«
     Als er näher gekommen war – Nasreddin hatte bewußt den Schritt verhalten –, antwortete er auf die überflüssige Frage, ob es tatsächlich eine Frau gewesen sei: »Und was für eine; schmales braunes Gesicht, schwarze Haare und eine ausgeschnittene Bluse. Mehr habe ich leider auch nicht gesehen. Warum fragst du?« Und mit freundlichem Spott rief er laut: »Hört, Leute, die ist hinter unserem Nasreddin her. Waren ihr bloß zu viele Leute hier. Auf den müssen wir ja aufpassen.«
     Nasreddin rang sich ein süßsaures Lächeln ab. Aber es saß ihm in der Tat der Schreck in den Gliedern. Der hatte recht, dieser vorlaute Brigadier. Sie ist hinter mir her, noch jemand ist also hinter mir her, die Häscher, die Miliz und – sie. Und es fielen ihm all die Begegnungen ein, die auf dem Basar in Chiwa, er sah wieder die zwei verschwommenen Lichter auf der Straße nach Urgentsch und in dieser Stadt selbst dasselbe rote Fahrzeug, das ihm folgte, das auch an der Herberge vorbeifuhr… Und jetzt hier, ein Dummkopf, der an einen Zufall glaubte.
    Ein Kontrolleur Allahs in der Vorstufe seines Reichs! Zunehmend jedoch kam Nasreddin ein solcher Gedanke absonderlich vor. Sollte der Allmächtige keine andere Lösung finden, als ihm über Stock und Stein eine stinkige Maschine hinterherzuschicken? Mit einer Frau am Lenker! Wenn er sich recht erinnerte, eine sehr schöne Frau. Aber dann wäre es doch eher denkbar, daß sie ihn in anderer Beziehung in Versuchung führte, ihn in anderer Weise auf die Probe stellte. Einen Augenblick fühlte Nasreddin bei dieser Überlegung so etwas wie Stolz, und ein vorübergehendes Behagen schwellte seine Brust, deswegen, weil der Höchste eine solche Beziehung überhaupt für denkbar halten sollte.
     Immerhin, stattlich fand er sich. Aber sie, schön und vielleicht wohlhabend, sicher, wer schon wird sich eine solche Maschine leisten können, von der die Räder schon Hunderte von Rubeln kosten, wie viele Säcke

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