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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Lebensweise zu finden. Und langsam schlich sich Bedauern darüber ein, daß er das immerhin brauchbare Angebot des Vorsitzenden nicht angenommen hatte. Chodscha hin, Chodscha her, ein Dach über dem Kopf ist nicht zu verachten.
     Ein wenig mißmutig trabte er durch endlose Baumwollfelder in hügeligem Gelände auf einem staubigen Weg, ohne Schutz gegen die brennende Sonne.
    Von der Kuppe eines Hügels sah er plötzlich Leben, das ihm nach dem einsamen Marsch wie ein Gewimmel vorkam. Fünf oder sechs blaue Elefanten kurvten da in den Feldern umher, hinter sich dunkle Streifen in das schneeige Weiß des Baum wollakens ziehend. Na, und an die vierzig Menschen rückten an anderer Stelle in einer Front gegen die weißen Knäuel vor, gebückt, wallende Tücher gegen die Sonne über Kopf und Schultern und emsig mit beiden Händen Baumwolle in den umgehängten Sack stopfend.
     Am Wegrand standen Hütten auf Rädern, zweirädrige Knattermaschinen und Karren mit großen grauen Ballen, in die offenbar die Tragesäcke der Pflücker entleert wurden.
     Nasreddin sah in die Sonne, spürte, wie sie seinen Körper aufheizte, dachte daran, stundenlang durch die Reihen ziehen zu müssen und aus den stachligen Büschen und vom Boden die weißen Bäusche zu lesen. Eine Freude, so stellte er sich vor, war das wahrlich nicht! Aber immerhin, was viele Menschen taten, konnte für den einzelnen wohl nicht von Schaden sein, zumal wenn es ein Dach, zu essen und obendrein noch Rubelchen brachte.
     Als Nasreddin noch auf der Hügelkuppe stand und philosophierte, erscholl unten ein Ruf. Daraufhin legten die Pflücker dort, wo sie sich gerade befanden, die Säcke ab und gingen die Reihe zurück. An einem der Wagen machten sie sich dann zu schaffen. Jeder nahm dort etwas entgegen, und wer es hatte, suchte im Schatten der Wagen ein Plätzchen und begann dort zu essen und zu trinken.
    Nasreddin gab dem Esel leicht die Fersen, ritt den Hügel hinab, auf die Lagernden zu. Erst unterwegs kamen ihm Bedenken, ob er damit wohl richtig handelte, denn immerhin schien nicht ausgeschlossen, daß man ihn auch diesseits des Kischlaks suchte, wenn man es jenseits erfolglos getan hatte. Aber er zweifelte, ob er der Miliz so wichtig sein würde.
     Als Nasreddin die ersten, die ihm mit Interesse entgegensahen, erreichte, grüßte er, und sogleich rief einer: »Woher des Wegs, Reisender?«
     »Von da«, gab Nasreddin zur Antwort, hielt den Esel an und wies hinter sich.
     »Und willst vermutlich dorthin«, rief eine Frau, und sie zeigte den Weg entlang in entgegengesetzter Richtung. Die Leute lachten.
     »Allah wird mich den rechten Weg führen«, sagte Nasreddin mit Würde.
     »Wer weiß, ob er in dieser Gegend Bescheid weiß.« Ein junges Mädchen rief das übermütig. Sie hatte ein rundes Gesicht, hundert Zöpfe, Schweiß stand auf ihrer Stirn, aber aus den Augen blickte der Schalk. Nur die Jüngeren lachten nach ihrer Bemerkung.
     »Hier, Fremder, trink!« Eine dicke Frau hielt einen Krug hoch, ohne sich von der Stelle, auf der sie saß, fortzubewegen. »Und wenn du Hunger hast, es ist genug da.«
     Nasreddin bedankte sich, und da er tatsächlich Durst verspürte und ihm einfiel, daß sich seine Vorräte bereits wieder dem Ende zuneigten, ließ er sich vom Esel gleiten und trat zu den anderen in den Schatten. Er nahm einen kräftigen Schluck kalten grünen Tee aus dem Krug, biß in die gereichte Pirogge und ließ sich, nach einer stummen Einladung, neben der dicken Frau am Feldrain nieder.
    »Kommst von weit her?« bohrte der, der ihn gleich als erster angerufen hatte.
     »Chiwa«, antwortete Nasreddin kauend, ärgerte sich sogleich über seine Geschwätzigkeit, wen ging das schon etwas an, und außerdem schien ihm Zurückhaltung geboten.
     »Eine Dienstreise«, bemerkte das Mädchen spöttisch, nickte nachdrücklich zum Esel hin, und jetzt lachten die meisten.
     »Was, Fremder, führt dich in diese Gegend?« fragte der Mann erneut und, wie es schien, nicht ohne Interesse.
     »Einzig und allein der große Allah!« Nasreddin richtete den Oberkörper auf und verneigte sich.
     »Was hast du getan, daß er dich so straft?« fragte das Mädchen.
     Der Mann wehrte die aufflackernde Heiterkeit ab. »So hast du also kein bestimmtes Ziel?« Er stand auf, kam näher, ließ sich neben Nasreddin in das verdorrte Gras sinken, daß es knisterte.
     Nasreddins Gespür signalisierte Gefahr. Er schüttelte beinahe unmerklich den Kopf.
    »Aber Papiere hast du?«

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