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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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fragte der andere hartnäckig weiter.
     Nasreddin zögerte, schließlich griff er in den Chalat, zog Zerknittertes hervor und sagte: »Diese.«
     Mit großer Ernsthaftigkeit nahm der Mann die Zettel. Nasreddin hatte den Eindruck, als hätte sich der anderen, die in der Nähe saßen, eine gewisse Spannung bemächtigt. Jedenfalls hatten die Unterhaltungen aufgehört, und alle verfolgten den Disput.
    »Also Freund«, sagte der Mann nach einer Weile mit Nachdruck. »Ich geb dir den guten Rat, mit diesen Papieren nicht länger durch die Gegend zu vagabundieren.« Er wiegte den Kopf hin und her, machte ein höchst bedenkliches Gesicht, kreuzte sogar die Unterarme, damit eine Fesselung demonstrierend. »Ich mach dir einen Vorschlag: Bleib bei uns. Wenn du einige Zeit da bist, stellen wir den Antrag auf ein richtiges Dokument. Und damit wärst du ein richtiger Mensch. Na, wie wäre es?«
     Nasreddin schwankte zwischen Zorn und Einsicht. Also auch dieser hatte an den verdammten Papieren, was immer die auch sein mochten, etwas auszusetzen. Sie schienen offensichtlich nicht viel zu taugen. Der Scheitan selbst mußte sie ihm zugesteckt haben. Schon wollte Nasreddin wegen der Bevormundung wütend werden, auf die er allenthalben stieß. Jeder gab gute Ratschläge, jeder forderte etwas von ihm, sie sollten ihn in Ruhe lassen. Dabei ahnte er jedoch, daß es jener Mann, der ein gutes, faltiges Gesicht, schlaue Augen hatte und ihn sicherlich nicht übers Ohr hauen wollte, durchaus gut meinen mochte. »Wer bist du überhaupt«, fragte Nasreddin, »daß du mir solche Vorschläge machst?«
     »Der Feldbaubrigadier des Kolchos ›Neunter Mai‹ im Dorf Romitan. Mein Wort gilt.«
     »Und was soll ich bei euch tun?« Was ein Feldbaubrigadier sei, wagte er nicht zu erfragen. Das lag wieder jenseits des Faßlichen, Gewohnten…
     Der Mann wies mit einer weit ausholenden Armbewegung hinter sich in die Felder. »Baumwolle«, sagte er. »Und wenn wir die hinter uns haben, werden wir weitersehen. Du mußt wissen, wir brauchen jede Hand, stehen nicht gut im Plan.«
    Hatte so etwas Ähnliches nicht auch der Vorsitzende mitgeteilt? Nun, eine gewisse Vorstellung verband sich in Nasred dins Kopf mit dem Wort »Plan«. Sie haben sich also, jener dort und dieser hier, etwas vorgenommen, was sie schlecht erreichen werden. Allah akbar, was soll’s, die Welt wird nicht zusammenbrechen. Andererseits, es wäre sicher ein Jammer, wenn ein Teil dieser prächtigen weißen Bäusche auf dem Feld verkommen müßte, nur weil sich keiner fand, der sie aufsammelte. Nasreddin blickte an seinem malträtierten Chalat hinunter, den die Spuren der letzten Nächte recht unansehnlich machten. Bald einmal wieder muß es ein neuer sein, dachte er. Eine Menge dieser Fäden würde benötigt werden, um ihn zu weben. Und da er gerade an die letzte Nacht im Freien dachte, das mußte ein Ende haben! Man kann ja einmal probieren, es muß nicht für die Ewigkeit sein. Und dann das mit diesen Papieren, die Miliz im Rücken, dahinter vielleicht doch noch die Häscher des Chans… »Was, Feldbaubrigadier, gibst du mir für den Sack?«
     Der Feldbaubrigadier zog ein wenig überrascht die Augenbrauen hoch, andere nickten, schmunzelten, das Mädchen mit den hundert Zöpfen sagte: »Ein Teufelskerl, dieser Chladkow, hat er ihn doch rumgekriegt.«
    »Zwölf Kopeken…«
     »Fünfzehn«, antwortete Nasreddin eingedenk des Angebots des Vorsitzenden. »Und freie Unterkunft und Essen auch.«
    »Sieh an, sieh an! Fünfzehn bei ausgezeichneter Qualität und zwanzig für jeden Sack mehr über die Anzahl zwanzig hinaus. Essen achtzig Kopeken je Tag, auf deine Rechnung, versteht sich. Also, was ist, schlägst du ein?«
     Einen Augenblick zögerte und überlegte Nasreddin noch. »Ich schlage ein«, sagte er dann und reichte dem Feldbaubrigadier die Hand.
    »Was bist du eigentlich von Beruf?« fragte die dicke Frau.
     »Ich bin ein Chodscha«, antwortete Nasreddin und warf sich in die Brust, »Nasreddin, der Chodscha aus Aksehir.«
     »Na, da bist du ja in guter Gesellschaft. Habt ihr gehört«, sie wandte sich an die anderen, »noch ein Lehrer.« Und dann zeigte sie Nasreddin ungeniert mit dem Finger die entsprechenden Leute. »Der dort ist Mathematiklehrer, das ist der Direktor unserer Schule, dort Diloram, sie gibt Sport. Da werden wir euch Reihen nebeneinander geben, daß ihr euch austauschen könnt. Aus Aksehir – weiß einer, wo das ist?«
     »Hört, sie weiß nicht, wo Nasreddin,

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