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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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vor ihm und ließ sich grob über Disziplin und Ehre aus, und auch das Wort »Schmarotzer« fiel.
     Nasreddin murmelte eine Entschuldigung, die aber völlig unterging. Er schwang sich auf seinen Esel, beteuerte: »Sofort, sofort!« und ritt los.
     Ohne ihn eines Blicks zu würdigen, brauste der Vorsitzende mit seinem Geländewagen, in dem er selbst die Inspektionsfahrten unternahm, an ihm vorbei. Eine dichte Staubwolke hüllte lange Zeit Esel, Reiter und Feldraine ein.
     Nasreddin war es nicht nach Streit zumute gewesen. Und sicherlich befand er sich im Unrecht. Aber ihn einen Schmarotzer zu nennen, fand er nicht nur unangemessen, sondern auch zutiefst kränkend. Stets hatte er sich bemüht, nicht auf Kosten anderer zu leben, hatte alles darangesetzt, nicht einmal einen solchen Anschein zu erwecken. Und langsam stieg großer Ärger in ihm hoch. Es dauerte nicht lange, da sann er, wie er es wohl diesem Finsterling von Vorsitzendem geben könnte.
     Nasreddin kam mit zwei Stunden Verspätung zum Nachmittagsdienst. Natürlich hatte man die Arbeit längst eingeteilt, und natürlich, das hatte Nasreddin bereits erfahren, hatte man auch bei dieser Sonderaktion, wie bei anderen, den Bedarf überschätzt, so daß immer einige übrigblieben, erst recht ein Zuspätgekommener.
    Also wurde Nasreddin vom Brigadier, der geschäftig Baumwolle einfuhr, um seinen Traktor herumsprang, so im Vorübergehen zum Hofdienst eingeteilt, ohne daß dieser Dienst in irgendeiner Weise konkretisiert wurde. Deshalb suchte sich Nasreddin Beschäftigung. So räumte er auf, irgend jemand ließ stets etwas liegen, fegte verflogene Baumwolle zusammen.
     Am Abend kam ein wenig Hektik auf. Eine Sturmwarnung war über den Rundfunk verbreitet worden, und es galt, die gerade eingefahrene Wolle rasch zu schobern, abzudecken und die Plane festzuzurren, obwohl der Stapel noch längst nicht seine Endhöhe erreicht hatte.
     Die Leute maulten, daß nun zur Sonderschicht, gegen die sie ja nichts hätten, auch noch das Schobern käme, nur weil die Wetterfrösche, deren Zuverlässigkeit man ja zur Genüge kannte, so ein Windei gelegt hätten. Morgen risse man das Ganze wieder ein und stapelte weiter. Nasreddin packte mit zu. Man überließ ihm die schwerere Arbeit, schließlich, so hänselte man, hätte er sich ja in den zwei Stunden, die er zu spät gekommen war, wohl tüchtig gepflegt und ausgeruht.
     Nicht daß ihm das Frotzeln etwas ausgemacht hätte, er lachte sogar mit, wenn einer besonders pointiert spottete, aber er wurde dadurch stets an den Vorsitzenden erinnert, an dessen kränkende Anwürfe. So kam es, daß sich sein Groll nicht legte, sogar neue Nahrung bekam.
     Eine Stunde vor Schichtschluß befand sich Nasreddin allein auf dem Hof. Die Arbeit mit dem Schober war im wesentlichen getan, eine weitere Fuhre kam nicht. Unter diesem und jenem Vorwand waren die anderen nach und nach verschwunden…
    Nasreddin kehrte ohne Schwung, wurde dann darauf aufmerksam, daß ihm die Flocken, die er aufwirbelte, entgegengeflogen kamen. Böig pfiff Wind um die Stallungen. Also doch, dachte er und stellte sich so, daß die Luftbewegung ihm beim Fegen half. Ha, wie die Flocken flogen! Wie Dampfwölkchen pufften sie, fädig verheddert, über Bodenunebenheiten, verwi ckelten sich zu rollenden Bällchen, drückten sich wie nasser Schnee in die Maschen des Drahtzauns, überzogen ihn mit einer durchbrochenen, wattigen Decke.
     Da kam Nasreddin ein Gedanke, ein schlimmer: Er liebt seine Baumwolle über alles, der Emir Vorsitzende. Wie ein feuriger Bräutigam vor die Braut stellt er sich schützend vor jedes Fädchen! Man mußte auf seine Veranlassung hin die Pflücksäcke täglich auskratzen, obwohl sie sich am Morgen nach der ersten Füllung wieder innen mit jenem weißen Flaum überzogen hatten. Nach jedem Bäuschlein mußte man sich bücken, und täglich wurde der Hof gekehrt und selbst das draußen aus den Sträuchern gesammelt, was sich durch die Maschen des Zaunes gezwängt hatte. Wo also könnte man ihn mehr treffen als bei seiner Baumwolle?
     Nasreddin hatte noch nicht zu Ende gedacht, hatte sich noch nicht die Konsequenzen vorgestellt, als er bereits an den Seilknoten nestelte. Er löste drei der Spannseile der Plane auf der Leeseite des Schobers und die mittlere auf der Luvseite. Sofort knallte die Plane nach oben, bildete gleichsam eine flache Segelkuppe, durch die bauschend die Windwellen fuhren.
    Hinten aber, aller Anker bloß, peitschte das Tuch unbändig

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