Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
wenngleich sie sich nach wie vor auffällig benahmen und ebenso gekleidet gingen.
     Nasreddin hätte nicht übel Lust verspürt, stundenlang durch diesen Basar zu bummeln, mitzuhalten im Gefeilsche; verkosten, vielleicht auch kaufen, ein Geschenk zum Beispiel für Gusal. Aber die Frau an seiner Seite hatte es auf einmal eilig, obwohl sie das Gegenteil versicherte. Es schien, als drücke sie eine Last, die sie so schnell wie möglich abwerfen wollte.
    Nasreddin hingegen war es, als käme er erst jetzt auf diese Welt, als öffnete ihm einer die Augen vollends, riebe ihm den Schlaf aus den Lidern, denn an ihrer Seite fühlte er sich merkwürdig sicher. Sie hatte den Schlüssel zu seinem Geheimnis, und sie empfand er als einen Schlüsselbewahrer, wie er sich sympathischer keinen vorstellen konnte. Nasreddin spürte grenzenloses Vertrauen zu dieser Frau, die er erst seit zwei Stunden aus der Nähe kannte, es war, als verbänden ihn feste unsichtbare Fäden mit ihr.
     Behutsam dirigierte sie ihn aus dem Basar, aus der Stadt hinaus, in ein Gebiet voller Steine, Büsche und Ruinen hinein. An einem großen schattenspendenden Strauch wilder Feigen machte sie halt. Eine kleine Mauer lud zum Sitzen. Keine zehn Meter vor ihnen stand eine kleine Kuppel über dem Gelände, ein unregelmäßiges Loch, provisorisch mit Brettern geschlossen, führte in das Innere des grobgefügten Bauwerks.
     »Bist du bereit, Chodscha Nasreddin?« fragte die Frau, und es lag durchaus etwas Feierliches in diesem Augenblick, wenngleich sie es sichtlich vermeiden wollte. »Jetzt erzähle ich dir eine Geschichte.«
     »Ich höre«, antwortete Nasreddin, und er rutschte in den Winkel zwischen Mauer und Erdboden, so daß er sich bequem anlehnen konnte, schloß die Augen und atmete tief durch, um seine Erregung zu bekämpfen.
     Es entstand eine Pause, es schien, als ob sich die Frau sammeln müßte und sich noch immer nicht schlüssig wäre, es richtig zu machen.
    Nasreddin öffnete noch einmal die Lider, als sie sagte: »Dort drüben begann es.« Sie wies mit lang ausgestrecktem Arm auf die um etwa einen Meter aus der Erde ragende flache Kuppel mit dem unregelmäßigen Einstiegsloch. Und dann sprach sie leise im Ton der Märchenerzähler, so als lauschten ihr atemlos phantasiebegabte, wißbegierige Kinder…

Eine wundersame Geschichte

    »Pa ssen Sie doch auf!« Wenn Anora unwillig wurde, klang ihr Rus sisch russischer. Ihren Ärger rief Wladimir Petrowitsch hervor, der unachtsam durch das Eingangsloch gekrochen war und einige Lehm ziegel ausgebrochen hatte, die nach unten polterten. Staub wirbelte auf, der Anora zwang, die Plane über den Spalt zu ziehen, den sie vorsichtig und mühsam genug in den gemauerten Sarkophag gemei ßelt hatte.
      Wladimir Petrowitsch murmelte eine wenig ernst gemeinte Ent schuldigung und setzte dann hinzu: »Vielleicht stellen wir doch ei nen Kompressor auf, damit wir Überdruck in die Gewölbe bekom men. Aber keiner kann’s erwarten… «
     »We nn sich jeder in acht nimmt, geht es schon.« Ihr Tonfall ließ unschwer erkennen, daß es ihr fernlag, etwa einen Streit zu provo zieren. Vorsichtig nahm sie Mörtelkrümel auf, sah nur ab und an hinter sich zum unregelmäßig gebrochenen kleinen Einstieg. Im Strahlenbalken der draußen gleißenden Julisonne tanzten rötliche und glitzernde Partikel. Er hat schon recht, dachte sie. Überdruck würde den Staub nach außen führen. Aber gleichzeitig spürte sie wieder jene Ungeduld, die jedes Hinauszögern verbot, jenes Kribbeln vor einer Entdeckung, von der man hofft, daß es eine echte sei, eine, die überrascht, eine bedeutende. Und zumindest der überdurch schnittlich große, aus hartem Stein gemauerte Sarg, der untypisch separat in dem Gewölbe stand, deutete auf Außergewöhnliches hin.
      Wladimir trat nun vorsichtig näher, betrachtete Anoras Arbeit. Anora hatte die Plane wieder vom geschaffenen Spalt entfernt.
    »Gebrannte?« fragte er und nickte anerkennend, was sie mehr ahn te als im Dämmerlicht sah.
    » Ja«, antwortete sie. »Sie haben sich Mühe gegeben. «
    »Ich soll Sie zum Essen holen. «
      Und deswegen poltert er hier herein, dachte Anora. Aber ihr Ärger war bereits verflogen. Jeder der kleinen Gruppe fieberte dem Ergebnis von Anoras Arbeit entgegen. Und selbst als Boderow angeordnet hatte, die Kollegin nicht zu stören, ließen die unter allerlei Vorwän den gemachten Besuche nur unwesentlich nach.
      Anora bedeckte den Spalt gespielt resignierend

Weitere Kostenlose Bücher