Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
ich danke Ihnen, daß Sie ihn erzwungen haben. Ich selbst wäre wohl zu feige gewesen.«
     »Bis jetzt war hier alles klar«, sagte Nasreddin verwirrt und faßte sich an den Kopf, »aber nun verwirbelt Allah meine Sinne. Ich kann dir nicht folgen.«
     Sie lachte, stützte eine Sekunde ihre Stirn in die Hand, fuhr mit Daumen und Mittelfinger über die Augen. »Es ist also wahr, was die Leute sagen, du glaubst, Nasreddin, der Chodscha aus Aksehir zu sein…?« Sie fragte es so ernsthaft und gleichzeitig behutsam, daß er sich nicht brüskiert fühlte.
     Nasreddins Gedanken gingen fieberhaft. Er spürte, daß sich Sensationelles anbahnte, wußte bereits, ohne daß sie es gesagt hätte, daß er richtig vermutet hatte, als er sie, diese schöne Frau, mit den Merkwürdigkeiten um ihn herum in Zusammenhang sah. »Ich bin es«, sagte er daher mit der größten Selbstverständlichkeit.
    Sie sah ihn lange, forschend an. »Es ist ungeheuerlich«, sagte sie dann wie zu sich selbst. »Als ich es das erstemal hörte, daß du Nasreddin seist, wären mir beinahe die Sinne weggeblieben, dann wollte ich zu dir eilen, alles ganz genau wissen, dir danach alle Historiker der Welt offerieren, aber dann kamen Zweifel…« Sie brach abermals ab, als sie sein hilfloses Gesicht sah, bemerkte, wie er leicht die Schultern anhob und sie verständnislos anblickte. Sie begann erneut: »Du bist Nasreddin, der Chodscha also…« Sie biß sich auf die Lippen, suchte nach einem Anfang. »Nun«, sie gab sich sichtlich erleichtert, »du hast deinen Schülern auf deine Art Geschichten erzählt, Märchen, wahre Begebenheiten, Glaubhaftes und Unwahrscheinliches. Ich werde dir auch eine Geschichte erzählen, wenn du willst, sofort – aber nicht hier. Willst du?«
     »Ich will«, antwortete er. »Aber laß dir zunächst sagen, daß ich mich freue, weil du mich nicht für einen Lügner oder Aufschneider hältst, weil du mir glaubst, daß ich Nasreddin bin.«
     Sie lachte. »Du wirst bald wissen, warum das so ist, so sein muß.« Sie startete den Motor. »Du hast doch Zeit?«
    »Und ob – eine Woche darf ich noch nicht arbeiten.«
    »So lange dauert es nicht.« Sie fuhr los.
     Nasreddin genoß das Autofahren. Sehr schnell verflog ein leichtes Bangen. Was so viele Menschen taten, konnte im Grunde nicht gefährlich sein. Und dann empfand er das Vergnügen. War das eine Freude, so dahinzujagen, weich zu sitzen, nichts zu tun, den angenehmen Luftzug vom Fenster her zu verspüren… Und jedesmal, wenn sie einem Eselsgespann oder einem Reiter begegneten, hatte er das Bedürfnis, wie ein Emir voller Würde aus dem Auto heraus zu grüßen.
    Die Frau neben ihm am Steuer empfand wohl, was in ihm vorging. Oftmals betrachtete sie ihn von der Seite, und wenn sich zufällig ihre Blicke trafen, dann, wenn er staunend den Kopf von der einen zur anderen Seite drehte, lächelte sie ihm zu. Schnell ließen sie die Stadt hinter sich.
     Plötzlich wurde Nasreddin sehr aufmerksam. Die Straße, deren Verlauf und die Umgebung kamen ihm merkwürdig bekannt vor. »Wohin fährst du?« fragte er ein wenig aufgeregt, weil ahnungsvoll.
    »Nach Chiwa«, sagte sie.
     Chiwa! Ein eisiger Schreck durchfuhr Nasreddin. Das Ganze eine Täuschung, ein kluges Manöver des Chans. O wie geschickt, sie mir an die Fersen zu heften. Und ich, der vom Scheitan Verblendete, falle darauf herein! Einen Augenblick saß er wie gelähmt. Sie fuhren mit hoher Geschwindigkeit dahin. Etwas zu unternehmen, um sich zu befreien, fühlte er sich außerstande. Aber langsam kam ohnehin Ordnung in sein Denken, in dem Maß, in dem der Schreck, der sich ihm mit dem Namen Chiwa verbunden hatte, verflog. Unsinn! Hatte er nicht sich selbst überzeugt, gelesen, daß er in einer anderen Zeit lebte, daß der Chan von Chiwa und alle seine Nachfolger längst von der Erde aufgesogen waren, ihre sündigen Seelen aber beim Scheitan schmorten?
     »Ist dir nicht gut?« fragte die Frau, und sie verlangsamte die Fahrt.
     »Doch, doch«, beeilte er sich mit einem Seufzer der Erleichterung zu versichern.
    »Sagst du mir, woran du eben gedacht hast?«
     Er lachte verlegen, sah dann aber keinen Grund, ihren Wunsch nicht zu erfüllen. »An den Chan«, sagte er. Und er wußte, sie würde mit dieser Antwort etwas anfangen können.
    »An den Chan«, wiederholte sie. »Ich hätte es mir denken können. Wollen wir lieber umkehren?«
     »Wenn ich es recht überlege«, Nasreddin tastete sich behutsam vor, »hat Allah ihn längst zu sich

Weitere Kostenlose Bücher