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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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unverriegelt war. Sie gab jedenfalls seinem ersten Zugriff nach, er riß sie auf und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen, was ihm, dem Ungeübten, auch besser gelang, als er es sich vorgestellt hatte.
     Offenbar zutiefst erschrocken, wich die Frau zur Seite und richtete sich, soweit es das Autodach zuließ, auf. Dann rief sie, es war ein halberstickter Schrei: »Omar!« Röte war ihr ins Gesicht geschossen. Mit der Linken griff sie sich ans Herz, sie schloß die Augen und sank langsam in den Sitz zurück.
     Dann aber hatte sie sich gefangen. Sie schüttelte den Kopf und sagte einen Satz in einer unbekannten Sprache, dessen Melodie jedoch höchste Überraschung ausdrückte.
    Danach besann sie sich offenbar und sagte, immer noch zutiefst verwundert: »Hast du…, haben Sie mich jetzt erschreckt!« Ihre Stimme klang angenehm, wenn Nasreddin sie sich auch ein wenig dunkler, zu ihrem Typ passender, vorgestellt hatte.
     Er selbst war ob seines Mutes und der plötzlichen Konfrontation ebenfalls noch sprachlos. Dann sagte er ziemlich gequält: »Salam!«
     »Salam!« Sie lächelte, hatte sich offensichtlich wieder in der Gewalt. »Was kann ich für Sie tun?« fragte sie. Aber es klang längst nicht so, wie man einen Fremden fragen würde, der plötzlich aus heiterem Himmel in ein ihm nicht gehörendes Auto steigt und von dem man mit Recht allerlei befürchten müßte.
     »Wer ist Omar?« fragte Nasreddin ein wenig inquisitorisch. Aber so direkt vorzugehen, wie er es sich eigentlich vorgenommen hatte, brachte er nicht übers Herz. Sie machte ihn befangen. Sie war eine nicht mehr ganz junge, reife, sehr schöne Frau, so jedenfalls empfand Nasreddin. Ihre Augen waren so groß, wie Nasreddin meinte noch nie welche gesehen zu haben, weder in seiner ersten noch seiner zweiten Zeit. Über der Nasenwurzel vereinten sich die Augenbrauen, was dem Gesicht etwas Wellig-Sanftes verlieh. Dazu pechschwarzes Haar, das Gesicht im ganzen schmal, von dunklem Teint, aus dem wie aufgereihte Perlen die Zähne hervorleuchteten.
     »Ach, ein Bekannter, mit dem Sie Ähnlichkeit haben«, sagte sie obenhin.
    Warum heuchelt sie, dachte Nasreddin, und allmählich verstimmte ihn ihre Haltung. Er beschloß nun doch, direkt aufs Ziel zuzusteuern. »Du hast dich nach dem Tag meiner Entlassung aus dem Krankenhaus erkundigt«, sagte er ohne besonderen Nachdruck, aber auch nicht als Frage.
     Sie sah ihn an, keineswegs, als ob sie sich ertappt fühlte, eher wohlgefällig, vielleicht auch stolz. Dann lächelte sie und nickte. »Gut, lassen wir das«, sagte sie, wandte sich ihm voll zu, legte eine Hand auf seinen Arm und fragte, für ihn nun doch überraschend: »Wie geht es Ihnen…«, nach einem Zögern, »Nasreddin Chodscha?«
     Nasreddin fühlte sich voller Neugierde und trotz des bislang nichtssagenden Gesprächs aufs äußerste gespannt. Dennoch sagte er sich, daß es wohl nunmehr besser wäre, auf ihre Gesprächsführung einzugehen. Deutlicher könnte er immer noch werden, wenn es nötig sein sollte. »Oh, gut«, antwortete er daher. »Abgesehen davon, daß es noch schmerzt, wenn ich die Hand so drehe«, und er zeigte ihr, bei welcher Bewegung das eintrat.
     Sie lächelte nachsichtig. »Und der Kopf, den Kopf meine ich eigentlich.«
     Er klopfte sich mit der flachen Hand dagegen, daß es klatschte. »Der ist in Ordnung, wie eh und je. Allah hat dafür gesorgt, daß das Hirn des Chodscha in einer haltbaren Schale ist.«
    Sie lachte auf. »Das Hirn des Chodscha«, wiederholte sie mit einem ihm unverständlichen Nachdruck. »Und vorher«, fragte sie hartnäckig weiter, »vor dem Unfall, war er da auch in Ordnung, ich meine, konnten Sie sich an alles erinnern, an die Kindheit, gab es Lücken oder Schwindelgefühle oder anderes Unnormale?« Sie fragte mit Eifer, und er bekam den Eindruck, sie ließ sich von irgendeinem für sie wichtigen Gedanken forttragen und formulierte anders als ursprünglich beabsichtigt. Aber dann bemerkte sie es offenbar selbst, der Druck ihrer Hand verstärkte sich leicht, und sie fügte hinzu: »Entschuldi gen Sie meine Neugierde…« Sie verstummte. Es war deutlich, daß sie noch etwas hinzufügen wollte.
     Er hatte die Stirn gerunzelt. Dann sah er sie verschmitzt an und bemerkte: »Du zeigst jedenfalls ein erstaunliches Interesse am Wohlbefinden eines – Fremden…«
     Sie ging auf seinen leisen Spott nicht ein. »Wenn Sie wüßten, wie ich den Augenblick dieser Begegnung herbeigesehnt und – gefürchtet habe. Und

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