Der Geisterfahrer
come from Lucerne?, fragte er mich. No, sagte ich, da begann das Lämpchen zu leuchten und das ganze Flugzeug zitterte eigenartig. Yes, rief ich, yes, certainly I come from Lucerne, a lovely town, full of yoghurt! Der Eisbär nickte zufrieden, here is your oxygen, sagte er, reichte mir eine Maske, und plötzlich war die Luft entsetzlich dünn, wo muss ich sie einstecken, sagte ich, der Eisbär, der seine Maske schon aufhatte, zeigte auf das Stückchen Darm, das darunter hervorhing, ich steckte den Schlauch ein und atmete einen Heuduft ein, der mir starken Niesreiz verursachte. Gleichzeitig bemerkte ich ein kleines Mikrofon, von dem ich annahm, dass es mich mit einer Bodenstation verband. Hallo, sagte ich, wir stürzen ab, ich kann nichts machen. Nichts für ungut.
Dann stand ich auf, öffnete die Türe zur Kabine und wollte mich wieder auf meinen Platz setzen. Alle Passagiere standen jetzt neben ihren Sitzen und blickten mich mit weit offenen Augen an, keuchend in ihren Sauerstoffmasken. Wahrscheinlich war das Mikrofon bloß für Mitteilungen an die Reisenden bestimmt gewesen. Ich machte einen Schritt auf meinen Sitz zu, da machten alle Aufgestandenen einen Schritt auf mich zu. Tja, sagte ich, ich wollte nur fragen, hat jemand einen Schraubenzieher? Eine ältere farbige Frau hatte ein schwarzes Etui bei sich, sie trug es an einem Henkel und gab es mir, ich öffnete es, innen war es ganz rot ausgeschlagen und enthielt nichts außer einem Schraubenzieher mit einem gelben Griff.
Danke, sagte ich, vielen Dank, und ging schnell wieder ins Cockpit zurück, ich brauchte dringend Sauerstoff, die Stewardess hatte das Eisbärenfell ausgezogen und trug nur noch ein durchsichtiges Höschen, auf dem ein Fuß abgebildet war. Ihre Maske war auch weg, sogleich verschwand meine Atemnot, ich legte meinen Arm um sie und wollte sie küssen, aber immer noch hing ihr dieses Stückchen Darm aus dem Munde, aus dem auch ein wärmlicher Geruch entwich. Ich kann sie ja, dachte ich, mir auf den Schoß setzen, dann brauche ich ihr Gesicht nicht zu sehen. Oh, sagte sie, als ich sie zu mir zerrte, bitte nicht vor allen Leuten. Ich drehte mich um und bemerkte, dass die Rückwand des Cockpits zersplittert war und alle Leute, immer noch stehend, auf uns starrten. Dazu braucht er einen Schraubenzieher, sagte ein Herr mit einer Brille hörbar. Bitte, sagte ich, weiß jemand, wo hier der Belichtungsmesser ist? Er kann nicht fliegen, schluchzte eine Frau in den Vierzigern, indem sie einen Kanarienvogel an ihre Wange drückte. Schade, sagte ich, wenn die Belichtung nicht stimmt, nützt der beste Ausschnitt nichts, und drückte auf einen Knopf. Ein Blitzlicht zuckte auf und alle erschraken. Das ist für die Zeitung, sagte ich, nach dem Absturz. Und jetzt setzt euch! schrie ich drohend, und Ruhe! Das ist mein Flugzeug, ich will keinen Mucks mehr hören! Dann kam eine Stimme in den Kopfhörer, der ich sofort gestand, dass ich nichts wusste und die ich anwies, mit mir wie mit einem Kind zu sprechen. Da die Stimme der Vater eines fünfjährigen Buben war, konnte sie das, und wir landeten nach etwa dreiviertel Stunden auf einer aus Holzplanken zusammengenagelten Piste in
einer Landschaft mit taubengrauen Hügeln. Ich schenkte mein Flugzeug dem fünfjährigen Buben, verlangte vergeblich meine Schuhe oder einen Ersatz dafür und hätte sehr gerne mit der Stewardess ein Hotelzimmer genommen, aber das Stückchen Darm hielt mich doch davon ab.
Übrigens muss bei dem Foto die Belichtung wirklich falsch gewesen sein. Sie zeigte ausschließlich Leute mit Rabenköpfen.
Der türkische Traum
I ch träume viel, und ich achte auf das, was ich träume. Oft erzähle ich beim Frühstück meiner Frau, was ich geträumt habe, und sie erzählt mir, was sie geträumt hat. Manchmal haben auch die Kinder etwas geträumt. Ab und zu schreibe ich einen Traum auf, einen, der besonders rätselhaft ist, oder einen, der besonders klar ist. Den Zettel mit dem aufgeschriebenen Traum stecke ich dann in einen großen gelben Umschlag zu andern Zetteln mit anderen Träumen. Diesen Umschlag habe ich auf der äußersten Ecke meines Schreibtisches liegen. Aber es ist doch so, dass ich das, was ich träume, als Ergänzung dessen betrachte, was ich tue und erlebe, und nicht das, was ich tue und erlebe, als Ergänzung dessen, was ich träume. Ich habe also noch nie eine Reise wegen eines Traumes verschoben; es war noch nie so, dass ein Traum in mein Leben eingegriffen hätte. Deshalb war für mich
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