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Der Geisterfahrer

Der Geisterfahrer

Titel: Der Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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finden und dachte schon daran, stehen zu bleiben und den andern passieren zu lassen, aber dann kam eine offene Stelle, eine leichte Senke, und dann die Brücke, auf der man den Bach überquerte, und er wusste, dass das die Hälfte des Tales war und gewann noch einmal Kraft aus diesem Gedanken. Kurz danach merkte er aber, dass er nicht mehr lange widerstehen konnte. Die Luft war so eisig, dass er schon fast husten musste, er hatte starkes Hüftweh vom dauernden Abstoßen, der Ellbogen brannte ihm, und in beiden Lungen war ein entsetzliches Stechen und ging nicht mehr weg. Bis zu den Alphütten wollte er es noch aushalten, bis zu den beiden Alphütten, die so flach waren, als wären es bloß zwei Bodenerhebungen. Die Skispitzen seines Feindes mussten jetzt genau hinter seinen Skienden sein, er spürte schon die ganze Bewegung hinter sich, hörte das Einschlagen der Stockspitzen und das Keuchen von einem, der auch seine ganze Kraft brauchte, um ihn zu erreichen. Noch zehn Schritte, noch fünf Schritte, er durfte sich nicht überholen lassen, nein, bei den Alphütten hatte er für sich die Ziellinie gezogen, noch einen Schritt, ja, da war er, er konnte nicht mehr weiter, auf gar keinen Fall, er hörte auf zu gehen,
stützte sich mit den Achselhöhlen auf seine beiden Stöcke, schaute zurück, und sah, dass hinter ihm niemand war. Dann erst brach er zusammen.

Der Flug
    D er Beamte bei der Gepäckabfertigung bat mich zuerst, auch mein Handgepäck auf die Waage zu legen. Als ich zu widersprechen wagte, schaute er mich durchdringend an, und ich merkte, dass er nur ein Auge hatte. Das verwirrte mich so, dass ich mein Handgepäck auf die Waage legte. Der Beamte war nicht zufrieden. Sie haben, sagte er, nicht genügend Übergepäck, legen Sie Ihren Mantel auf die Waage. Ich schaute ihn wieder an und bemerkte, dass er einen Eckzahn hatte, der so weit vorstand, dass er die Unterlippe verletzte, die dauernd leicht blutete.
    Ich legte meinen Mantel auf die Waage. Jetzt noch die Schuhe, sagte der Mann. Ich schaute ihn nicht mehr an, zog die Schuhe aus und legte sie auf die Waage. Jetzt haben Sie genügend Übergepäck, sagte der Mann auf englisch, gehen Sie an die Kasse und bezahlen Sie es, Ihren Mantel und die Schuhe bekommen Sie am Ankunftsort wieder. Ohne den Beamten anzusehen, ging ich zur Kasse, die sich in einem halb geöffneten Durchgang befand, in dem ein leichtes Schneegestöber herrschte.
    Haben Sie Kirschen?, fragte mich der Kassier, ein nördlich aussehender Mann. Nein, sagte ich, warum? Sie hätten in Kirschen bezahlen können, das wäre billiger gewesen, Sie haben ja eine Menge Übergepäck, wie ich sehe. Ich schwang meinen rechten Fuß auf die Schalterlade.
Deshalb, sagte ich. Sie scherzen, sagte der Kassier, gehen Sie nochmals zum Gepäckbeamten, aber lassen Sie Ihre Socken da. Nein!, rief ich sehr laut, und sofort leuchtete ein blaues Lämpchen über dem Schalter auf. 50 Dollar, sagte der Mann, und 50 Dollar Verneinungszuschlag. Ich zahlte 100 Dollar, das Lämpchen hörte auf zu leuchten, und ich wurde von einer als Eisbär verkleideten Hostess abgeholt. Sie fliegen also nach Alaska, flüsterte mir der Eisbär ins Ohr, haben Sie gute Schuhe bei sich? Nein, sagte ich, und sah, dass dem Eisbären ein kleines Stück Darm zum Mund heraushing.
    Später, während des Fluges, als wir sehr hoch über einer gebirgigen Gegend schwebten, kam der Pilot in die Kabine und fragte, ob jemand das Flugzeug kaufen wolle. Ich meldete mich sofort, fragte, was die Maschine koste, der Pilot setzte sich auf die Armlehne, die sogleich einknickte und sagte, 300 Dollar. Ha!, rief ich, 200 ist das Höchste, was ich zahle. Abgemacht, sagte der Pilot, und schon nahte sich die immer noch als Eisbär verkleidete Stewardess mit einem Kaufvertrag. Ich unterschrieb, der Pilot reichte mir den rosa Durchschlag und bat mich ins Cockpit. Das ist Ihr Sitz, sagte er zu mir und wies auf den Pilotensessel, der leer war. Ich kann nicht fliegen, sagte ich, Sie müssen das tun, oder der Copilot. Der Copilot ist abgesprungen, sagte der Pilot, indem er sich eine Art Sack umschnallte und eine Schutzbrille überzog. Viel Glück, sagte er dann, öffnete eine Luke und sprang hinaus. Halt!, rief ich, Sie haben meine Schuhe an, aber schon war die Luke zu, und in der Mitte des Armaturenbretts blinkte ein blaues Lämpchen unablässig. Schon gut, sagte ich, ich
sage ja nichts, und das Lämpchen hörte wieder auf zu blinken.
    Neben mir saß plötzlich der Eisbär. Do you

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