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Der Geisterfahrer

Der Geisterfahrer

Titel: Der Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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sich Bewunderung mit Spott mischte. Ob er daran seine Wäsche zum Trocknen aufhänge, fragte ein Holzflößer am oberen Ende des Tisches, doch da zog mein Urgroßvater, der die Flößer und ihre Witze kannte, die Bartwichse aus der Tasche, die er beim Lombarden gekauft hatte, hob sie in die Höhe und sagte, wenn sie die Schnurrbartenden damit einstrichen, würden sie so steif, wie ein gewisser Körperteil des Flößers schon lange nicht mehr werde.
    Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite, der Lombarde,
der den Weißwein bekommen hatte, prostete ihm lächelnd zu und sagte, der Herr hier habe durchaus recht, wenigstens mit dem ersten Teil des Satzes, und dem Flößer, der sich mitten im Gelächter drohend erhoben hatte, möchte er, damit sie nicht wegen einer Kleinigkeit in Streit gerieten, eine Musterdose seiner Bartwichse schenken. Diese Geste genügte tatsächlich zur Besänftigung des Erbosten, und während das Döschen nun von Hand zu Hand ging und man ihm kleine Proben entnahm, es auch prüfend an die Nase hielt, sagte der Händler, sollte jemand daran Gefallen finden, er habe noch mehr davon, 50 Centimes das Stück, und er nehme selbstverständlich auch Pfennige, so nahe der deutschen Grenze.
    Das Döschen und der unglaubliche Beweis seiner Wirksamkeit im Gesicht des Lombarden hatten den Erfolg, dass dieser sofort drei Stück davon verkaufen konnte, worauf er sich gleich noch einen Halben vom Elsässischen kommen ließ, denn der Liter kostete 1.50.
    »Platz da die Herrschaften für die Spezialität des Hauses!« , rief der dicke Kellner, und wäre dieser Satz im vorletzten Jahrhundert nicht nur gesprochen, sondern auch geschrieben worden, hätte man das Wort, für welches da Platz verlangt wurde, zweifelsohne mit c geschrieben, Specialität.
    Und die Specialität, die neben dem Schüblig in einer eigenen Schüssel aufgetragen wurde, einer zugedeckten Schüssel notabene, war wirklich derart speciell, dass ich sogar heute noch dankbar auf die Möglichkeit zurückgreife, das platte Eindeutschungsdampfwalzen-z durch ein distinguiertes c zu ersetzen.

    Nun wurde es ringsum ruhig, und die Augen der halben Gaststube richteten sich erwartungsvoll auf die zugedeckte Schüssel, denn außer dem Lombarden und meinem Urgroßvater wussten alle, dass hier nicht die Specialität des Hauses aufgetischt wurde, sondern ein Scherz, und die Neugier, welchen Scherz sich der Kellner und der Koch, der inzwischen mit gerötetem Gesicht hinter dem Schanktisch erschienen war, ausgedacht haben mochten, war groß.
    »Mein Herr«, sagte der Kellner, indem er den Teller mit der Wurst auf die Serviette vor meinem Urgroßvater hinstellte und dann mit einer großen Geste nach dem Deckel der Schüssel griff, die er seinem Gast schon unter die Nase hielt – »Schüblig mit Buchbrot!«
    Der nächste Abschnitt der Geschichte, der mit dem Öffnen des Deckels seinen Anfang nehmen wird, die entscheidende Wende sozusagen, erfordert zum Erzählen glatt nochmals ein Kapitel, das ich Sie nun aufzuschlagen bitte, damit Sie gemeinsam mit meinem Urgroßvater in die Schüssel schauen können, die der Kellner der Kleinbasler Kneipe so verheißungsvoll über dem Schübligteller schweben lässt.

Viertes Kapitel
    W oraus nun bestand, werden Sie sich fragen, die Spezialität des Hauses, die in Wirklichkeit ein Verleser meines Urgroßvaters war?
    Als der Kellner, auf dessen Glatze feine Schweißperlen glänzten, mit einer Bewegung, welche Korpulenz in Eleganz verwandelte, den Deckel von der Schüssel hob, reckten sich die Köpfe der Nähersitzenden, während einige der Fernersitzenden sogar aufstanden, um zu einem Blick in die Schüssel zu kommen.
    Noch war nicht genau zu erkennen, was sich unter der reichlichen weißen Sauce verbarg, aber jetzt fasste der Kellner mit einem großen Servierlöffel und einer zweizinkigen Gabel in die Schüssel hinein, und was er nun heraushob und auf den Teller legte, sodass es appetitlich dampfend und duftend neben den Schüblig zu liegen kam, konnte nur eines sein, nämlich ein Buch.
    Nach dieser Erkenntnis ging ein Aaah und Oooh durch die Runde, ringsum wurde anerkennend genickt, und alle warteten gespannt, was mein Urgroßvater tun würde.
    Der schaute zuerst den Teller an, dann den Kellner, dann nochmals den Teller, und dann fragte er den Kellner:
    »Und das ist also ein Buchbrot?«
    »Wie ich Ihnen sagte«, antwortete der Kellner, »die Spezialität des Hauses.«

    »Aha«, sagte mein Urgroßvater, den man sich – um

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