Der Geisterfahrer
eigenartiges Flimmern an ihren Rändern, als stünden sie gar nicht still, sondern versuchten von ihrer Tafel wegzulaufen.
Er steckte also seine Brille in die Westentasche und rief durch Lärm und Rauch der Kleinbasler Kneipe nach dem Kellner. Wenn Sie das nächste Kapitel aufschlagen, werden wir den Kellner am Schanktisch den Kopf drehen und ihn mit fragendem Blick auf den ländlichen Gast mit dem fordernden Gesichtsausdruck zugehen lassen.
Drittes Kapitel
U nd tatsächlich, der Kellner, nachdem ihn mein Urgroßvater durch seinen Zuruf auf ihn aufmerksam gemacht hatte, ging mit fragendem Blick, indem er ein Tablett mit vollen Bierkrügen für den Nachbartisch auf der rechten Hand balancierte, auf den ländlichen Gast zu, der ihn mit forderndem Gesichtsausdruck anschaute. Was er ihm bringen solle, fragte der Kellner, ein dicker, glatzköpfiger Mann mit einem Walrossschnauz, und mein Urgroßvater, der soeben seine nutzlose Brille wieder abgesetzt hatte, sagte, indem er mit dem Kopf auf die Speisetafel über dem Schanktisch wies, einen Schüblig mit Buchbrot, und was ein Buchbrot genau sei. Diese Frage war der Ausdruck eines gewissen Misstrauens all dem gegenüber, das er nicht kannte. Der Kellner war, und das konnte mein Urgroßvater nicht wissen, als Spaßvogel bekannt und antwortete ohne zu zögern, das sei ein Spezialbrot des Hauses. Während er mit einem leichten Grinsen die Bierkrüge auf dem Nachbartisch verteilte, rief ihm mein Urgroßvater fröhlich zu: »Dann her damit!«, und bestellte sich auch ein Bier dazu. Das Bein des großen R hatte sich im Flimmern seines kurzsichtigen Blickes zu einem B gekrümmt, und wichtiger als das Brot war ihm ohnehin der Schüblig – so pflegt man in der Schweiz eine währschafte Wurst zu benennen, und auf
diesen Schüblig wartete er nun mit einer gewissen Ungeduld.
Der Kellner aber, der die ganze Nachbarschaft des Urgroßvaters augenzwinkernd darauf hingewiesen hatte, dass hier ein Scherz angezettelt wurde, zog, als er dem Urgroßvater sein Bier brachte, sein Handtuch aus dem Gürtel der Schürze und polierte ihm die Ecke des Tisches blank, an der er saß, bevor er eine große Serviette aus einem Regal nahm, vor dem Gast ausbreitete und dann höchst manierlich Messer und Gabel darauflegte, ein Senf- und ein Salzfässchen dazustellte und das Ganze mit einer kleinen, dreieckig gefalteten Serviette krönte, ein Vorgang, den mein Urgroßvater mit verwundertem Wohlgefallen verfolgte.
Das habe er für sein Gulasch nicht bekommen, maulte einer vom Nachbartisch, worauf ihm der Kellner entgegnete, er sollte doch langsam wissen, dass das nur die Kenner bekämen, welche die Spezialität des Hauses bestellten, und der Herr hier, den er noch nie die Ehre gehabt habe, in seinem Lokal zu bedienen, müsse ein Feinschmecker sein, dass er auf Anhieb herausgefunden habe, was man hier Besonderes essen könne.
Nun lachten alle links und rechts, und in freudiger Erwartung des Scherzes prosteten sie meinem Urgroßvater zu, der seinerseits in freudiger Erwartung seines Schübligs zurückprostete und sich nach dem ersten Schluck aufatmend den Bierschaum von seinem Schnurrbart wischte.
In diesem Augenblick schob sich ein noch eindrücklicherer Schnurrbart in sein Gesichtsfeld. Er gehörte dem lombardischen Bartwichsenverkäufer, der sich neben ihm am Kopf des Tisches niederließ mit der Frage, ob hier
besetzt sei. Mein Urgroßvater verneinte, aber der Lombarde hatte die Antwort ohnehin nicht abgewartet. Sogleich stand allerdings der Kellner da und sagte, zu trinken bringe er ihm gern etwas, aber zum Essen habe es hier keinen Platz, da er dem Herrn hier ein Extragedeck gemacht habe für die Spezialität des Hauses, die er ihm jetzt dann gleich servieren werde.
Der Lombarde, der sehr gut Deutsch sprach, bestellte sich einen halben Liter elsässischen Weißwein und fragte, was denn die Spezialität des Hauses sei. »Buchbrot«, sagte der Kellner, »Schüblig mit Buchbrot«, und die ganze Runde nickte vielversprechend, ein junger Kerl mit einer Schiffermütze hielt sich sogar die Fingerspitzen seiner linken Hand an den Mund und ließ sie mit einem schmatzenden Geräusch von den Lippen springen, sodass nun auch mein Urgroßvater langsam neugierig wurde, was das wohl für ein erlesenes Brot sein mochte, das man hier für die Kenner bereithielt.
Der Schnurrbart des lombardischen Händlers, dessen Enden auf beiden Seiten weit ins Leere standen, wurde alsbald Gegenstand einiger Bemerkungen, in denen
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