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Der Geisterfahrer

Der Geisterfahrer

Titel: Der Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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Bügel, und schon setzte sich der Schimmel in einen leichten, angenehmen Trab; mühelos konnte sich Sabina dem Wippen des
Pferderückens anpassen, und ihr Reittier ließ sich auch gleich zu einem langsamen Tritt bewegen, als ihr zwei Biker entgegenkamen.
    Sie erreichte nun den Waldsaum und entschied sich, die Abzweigung zu nehmen, die in den Wald hinein führte, da sie dort weniger Spaziergänger erwartete. Die Verständigung mit dem Schimmel war so einfach, als sei sie gestern zum letzten Mal geritten, und er war so fügsam und geschmeidig, als trage er seine alte Herrin und Meisterin. Eine Gruppe von Jugendlichen, die der Lichtung mit der Waldhütte zustrebte, von wo der Rauch eines Picknickfeuers aufstieg, überholte sie ohne Schwierigkeiten, und als nun ein Stück schnurgeraden Weges vor ihr lag, auf das die Abendsonne, durch Baumkronen und Blätter vielfach gebrochen, ein freundliches Licht warf, fand sie, sie könne einen kleinen Galopp riskieren. Mit einem leisen »Hü!« presste sie dem Schimmel die Füße in die Flanken, und der schlug nun einen federnden Galopp an, der für Sabina so leicht durchzustehen war, dass sie von einem richtigen Glücksgefühl erfasst wurde und sich vornahm, ab sofort wieder regelmäßig zu reiten. Vorne zweigte ein Weg nach links zum Waldrand ab, und da sie fand, es genüge fürs Erste, zog sie den Zügel nach links, verlagerte ihr Gewicht in Vorbereitung der Kurve und fiel beinahe hinunter, als das Pferd geradeaus weiterlief. Sofort zog sie beide Zügel straff an und rief streng: »Ho-oh!«, aber ihr Schimmel, mit dem sie sich so gut verstanden hatte, setzte seinen Galopp fort. Erneut stemmte die Reiterin die Füße mit ihrer ganzen Kraft in die Steigbügel, zerrte die Zügel zurück und rief so laut sie konnte: »Ho-ooh, Beowulf!«,
und erneut blieb alles ohne Wirkung. Sabina wurde von Angst gepackt und versuchte ein drittes Mal, die Macht über den Schimmel zurück zu gewinnen, aber dieser setzte seinen Lauf gänzlich unbeeindruckt fort, seine Muskulatur bewegte sich unter ihren Beinen als große, selbständige Kraft, auf die sie nicht den geringsten Einfluss hatte.
    Als sie merkte, dass sie keine Kontrolle über das Pferd mehr hatte, versuchte sie, nicht in Panik zu geraten. Sie spürte, dass sie keine Chance hatte gegen das Pferd, sondern nur mit dem Pferd. Ihre Kräfte musste sie darauf verwenden, oben zu bleiben. Die Hoffnung, das Pferd sei auf dem Weg zu sich nach Hause, war nicht unberechtigt, es schien sich im Wald genau auszukennen, bog einmal nach links ab, dann wieder nach rechts, seine Hufe trappelten mit der Regelmäßigkeit einer Maschine, einmal überraschte es Sabina damit, dass es einen Pfad hinauf rannte, bei dem ihr Zweige ins Gesicht schlugen, so sehr sie sich auch vorbeugte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie fahrlässig es gewesen war, sich ohne Helm auf ein Ross zu setzen, auf ein fremdes Ross, das sie nun durch eine Gegend trug, die ihr zunehmend fremder wurde. Nie hätte Sabina gedacht, dass der Wald, so nahe bei der Stadt, von einer solchen Dichte, Größe und Unberührtheit war. Wenn sie ihn betreten hatte, mit den Kindern etwa, war sie immer nach kurzer Zeit zu einer Autostraße gekommen, die es zu überqueren galt, oder an den Waldrand, zu Ausflugsrestaurants oder Spiel- und Rastplätzen, die meistens schon besetzt waren, oder war unvermutet vor Tennisplätzen gestanden, hinter denen BMW’s und Mercedes parkierten, und nun ritt sie schon bald eine Viertelstunde über menschenleere
Wege, die immer dunkler wurden, ihre Oberschenkel begannen vom nicht enden wollenden Galopp zu schmerzen, und sie musste sich eingestehen, dass sie jede Orientierung verloren hatte.
    Sie war erleichtert, als sich der Wald lichtete und sie in ein kleines Tal kam, in dem ein kräftiger Bach floss, der bei einem alten Fachwerkhaus weiter vorn ein großes Mühlenrad antrieb. Aber das Pferd machte keine Anstalten, in eine sanftere Gangart überzugehen.
    »Achtung!«, rief sie laut, indem sie auf das Haus zuritt, »ich kann nicht halten!«, und da stoben auf dem Vorplatz ein paar Menschen zur Seite, es schien ihr, einer habe eine weiße Schürze und eine Zipfelmütze getragen, auch hatte sie einen Holzkarren von großer Länge gesehen, der mit Säcken beladen war und bei dem zwei mächtige Gäule standen, und während empörte Rufe und Hundegebell hinter ihr herschollen, merkte sie, wie ihre Kräfte nachließen und wie sie sich zu verkrampfen begann, aus Angst, abgeworfen zu

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